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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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steckten in ledernen Schlupfschuhen, deren Spitzen leicht nach oben zeigten. Der Rock war schon modisch gekürzt und reichte nur mehr bis auf die Oberschenkel. Er war aus safrangelbem Wolltuch gefertigt und an Brust und Schultern leicht ausgepolstert. Der Dusing, ein zierlicher, tief getragener Gürtel, war mehr Schmuck als nützlich und hielt nur eine kleine, lederne Tasche. Das Tragen von Waffen war in der Stadt außer für bestimmte Amtspersonen ohnehin verboten. Der eifersüchtige Wast hatte zwar keine Ahnung von Farbensymbolik, hätte aber jedermann sofort geglaubt, daß Gelb die Farbe der Täuschung und Zwietracht sei. Die Augen der Wirtin hingegen ruhten wohlgefällig auf dem Festtagsgewand, das ihnen gülden dünkte, und musterten mit begehrlicher Freude die prachtvolle Erscheinung des jungen Mannes. Sebastian hätte ihn am liebsten an seinem Gürtel aufgehängt und über der Feuerstelle in der Küche geröstet.
    Paul war um einen Kopf kleiner als Peter und gut doppelt so alt. Sein gutmütiges Gesicht war zerknittert und gab Zeugnis davon, daß er zu leben verstand. Sein Haar war gelichtet bis auf ein bescheidenes, grau schimmerndes Kränzchen, was aber nichts weniger als die Tonsur mönchischer Entsagung bedeutete, sondern nur das unvermeidliche Zugeständnis an den Lauf der Jahre. Zwei listige Äuglein deuteten an, daß in Paul bei aller Abgeklärtheit noch immer jugendliches Feuer brannte. Er trug den Trappert, ein faltenreiches Obergewand, das über den Kopf gezogen wurde und bis zu den Knöcheln reichte. Es hatte einen weiten Halsausschnitt, war ärmellos und wurde meist ohne Gürtel getragen. Der Stoff umspannte sein pralles Bäuchlein wie die Frucht des weiblichen Leibes in schönster Hoffnung.
    Peter entsprach in keiner Weise dem Bild, das man sich gemeinhin von Petrus machte: ein gütiger alter Mann mit Rauschebart und geistlicher Tonsur. Paul kam da der kahlköpfigen Figur des heiligen Paulus schon erheblich näher. Nur hieß er – genau genommen – nicht Paul, sondern Pankratius oder Pankraz, und nur die Spottlust von Freunden hatte ihn zum Paul gemacht, da die beiden Männer meist gemeinsam auftraten und irgendwie unzertrennlich wirkten. Das sollte nicht heißen, daß sie immer einer Meinung waren, und wie schon der heilige Paulus von heftigen Auseinandersetzungen mit Petrus berichtete, so konnten sich auch die beiden streiten, daß die himmlischen Vorbilder vor Scham erröteten.
    Peter war vor beinahe zwei Jahren erstmals in die Stadt gekommen, hatte mit Hilfe seines angesehenen und begüterten Bruders das Bürgerrecht erworben und bald darauf auch das Amt eines städtischen Ländpflegers. Paul war jahrelang selbst auf der Isar gefahren und hatte nebenher einen kleinen Weinhandel betrieben, bis man ihn zum Pfleger ernannt hatte. Inzwischen Witwer und kinderlos, hatte er in dem jungen und reichlich unbedarften Peter so etwas wie einen Sohn gesehen, ihn unter seine Fittiche genommen und ihm die Gesetze der Arbeit und der Stadt sowie manches Geheimnis des Lebens offenbart. Peter hatte die gutmütige Führung dankbar angenommen, schaute zu Paul auf wie zu einem väterlichen Freund und rieb sich gleichzeitig an ihm, wie der Nachzügler am älteren Bruder, was ihm neben Beulen und kritischen Einwänden auch reichen Gewinn an Erfahrung brachte. Die beiden ungleichen Freunde waren in ihrer Eigenschaft als Pfleger der unteren Lände, gleich hinter der Isarbrücke, städtische Amtleute, auch wenn ihnen die Stadt dafür nichts bezahlte, denn richtig besoldet wurden nur Stadtschreiber, -bote und Bürgerknecht, Stadtarzt und Apotheker, Turmwächter und Henker. Alle übrigen Aufgaben waren mehr oder weniger Ehrenämter und setzten Wohlhabenheit voraus oder trugen sich selbst durch die erhobenen Strafgelder und Gebühren. Dennoch beobachteten einige Ratsmitglieder etwas argwöhnisch den freundschaftlichen Umgang der Pfleger mit den Flößern, die sie doch eigentlich zu beaufsichtigen hatten. Aber man war aufeinander angewiesen, und ein gutes Einvernehmen erleichterte eben beiden Seiten die Arbeit. Und es reichte schließlich auch, wenn der dritte Pfleger, Konrad Peitinger, ein ekelhafter Kerl war, den keiner so recht mochte. Er war auch heute beim gemeinsamen Feiern nicht zugegen und trieb sich ziemlich sicher in einer der Weinschenken herum. Es krähte auch kein Hahn nach ihm.
    Die Becher kreisten, das Bier floß in Strömen, und mochten auch die Zunftvorschriften bei Strafe fordern, sich beim Trunk und in

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