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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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aufschwingenden Türe übersehen.
    Ein Gerichtsdiener in den Farben der Stadt betrat mit ernster und amtlicher Miene den Raum und verströmte Kälte in der hitzigen Atmosphäre der Gaststube. Er ging schnurstracks auf den Tisch der Flößer zu und erteilte unbeeindruckt und ohne sich um die überschwengliche Stimmung der Feiernden zu kümmern, seine Befehle:
    »Der Zunftmeister Ulrich Hiltpurger und die Pfleger Peter Barth und Pankraz Knoll haben sich unverzüglich in das Haus des Stadtrichters zu verfügen!«
    Die drei schauten sich fragend an, zuckten mit den Schultern und folgten der Aufforderung, die keinen Widerspruch duldete.
    Obwohl der Auftritt des Schergen Übles erwarten ließ, war Peter fast froh, für Augenblicke wieder an der frischen Luft zu sein. Trotz der weit geöffneten Läden war es zuletzt immer stickiger in der überfüllten Gaststube geworden. Er spürte plötzlich auch, daß er dem Bier offensichtlich reichlich zugesprochen hatte und war etwas aufgeregt, denn seit seinem Bürgereid vor dem Rat und abgesehen von seiner Bestallung als Pfleger und damit verbundenen Rechtsangelegenheiten, hatte er es nur selten mit so hochgestellten Persönlichkeiten zu tun. Paul hingegen schien völlig ruhig, ja eher etwas unmutig darüber, daß nun auf unbestimmte Zeit das Feiern an ihm vorüberging.
    »Was meinst du, was das zu bedeuten hat?« fragte Peter nervös. »Es muß doch wohl Schlimmes vorgefallen sein, wenn uns der Richter sogar am Festtag zu sich bestellt.«
    »Wir werden’s gleich erfahren«, entgegnete Paul gelassen und mit der Ruhe des reinen Gewissens. »Ich hoffe, er hat gute Gründe, wenn er die Feier meines Namenstages stört.« Er grinste verschmitzt, doch Peter war viel zu beschäftigt mit seinen eigenen Gedanken, als daß er die feine Verdrehung und Ironie bemerkt hätte.
    Konrad Diener war vor wenigen Jahren eigens von König Ludwig als Stadtrichter nach München berufen worden und hatte mit seiner Familie Quartier bezogen in der Gasse, die die Nordostecke des Marktplatzes mit dem östlichen, inneren Schwabinger Tor verband und seither des Dieners Gasse genannt wurde. Er bewohnte dort ein ansehnliches Haus, das zu den wenigen gehörte, die zum größten Teil schon gemauert waren. Aber schließlich war der Richter auch Vertreter der herzoglichen Gewalt, und als solchem stand ihm ein gewisser Luxus zu. Die Männer traten durch das große Tor und verharrten in der geräumigen Eingangshalle, bis der Bedienstete sie gemeldet hatte. Schon während des Wartens hörten sie immer wieder eine laute, aufgebrachte Stimme und Wortfetzen wie »strengste Bestrafung… fordere Genugtuung… ein Zeichen setzen…«, die nichts Gutes verhießen. Der Richter mußte ziemlich wütend sein. Worüber nur und warum ausgerechnet heute?
    »Die Herren möchten folgen!« Der Hausknecht geleitete sie über die hölzerne Stiege in das obere Stockwerk und durch eine kunstvoll beschnitzte Türe in eine geräumige Stube, die die ganze Frontbreite des Hauses einnahm. Drei Fenster erhellten den Raum, aber nicht die Mienen der beiden älteren Herren, die an dem Ecktisch saßen und die Eintretenden streng musterten, wobei der eine von ihnen nervös mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte. Sie wurden nicht aufgefordert, sich zu setzen. Auf einem Schemel, etwas abseits, fläzte sich bereits Konrad Peitinger, der Pfleger der Weinlände. Es folgten bange Momente des Schweigens, in denen sich Peter immer unwohler fühlte. Hoffentlich seh’ ich nicht so besoffen aus, wie ich mich fühle. Paul widerstand dem prüfenden Blick mit stoischer Ruhe.
    »Meine Herren«, löste die tiefe Stimme des Richters den Bann, »ich habe Euch rufen lassen, um Euch eine sehr unangenehme und fragwürdige Angelegenheit mitzuteilen.« Konrad Diener strahlte mit seiner Leibesfülle, seinem seidenen Rock, dem ernsten Gesichtsausdruck und der gemessenen Gestik die ganze Würde seines Amtes aus. Aber die Stimme klang nicht unfreundlich oder gar vorwurfsvoll. So schlimm mochte es demnach gar nicht werden. Es mußte der andere gewesen sein, der so gebrüllt hatte. »Am heutigen Tage um die Mittagsstunde sprach der Flößer Jakob Krinner…«
    »Der Dieb«, unterbrach der zweite Mann am Tisch, »der Dieb Krinner.«
    »Der Flößer Jakob Krinner aus Wolfratshausen«, fuhr der Richter unbeirrt fort, »der Euch bekannt sein dürfte, sprach bei dem ehrenwerten Kaufmann und Ratsmitglied Pütrich vor und erhob daselbst schwere Beschuldigungen.«
    »Bedroht,

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