Der Wachsmann
kaltblütig und hinterlistig Flöße in ihre Gewalt zwangen, die Fergen umbrachten und Holz und Ware verscherbelten.
Der Gedanke trug allerdings nicht dazu bei, daß er sich besonders geborgen fühlte an diesem Ort. Es war, als laste auf der trügerischen Idylle des Talbodens eine bedrückende Atmosphäre von Gewalt und Tod. Peter dachte an Perchtold, der ihm anvertraut war, und wäre am liebsten gleich wieder nach oben geeilt, nicht zuletzt, weil er selber Angst verspürte. Er zwang sich jedoch zur Ruhe und dem Vorhaben, die Büsche nochmals genau abzusuchen, ob sich nicht doch ein eindeutiger Hinweis für Jakobs Ermordung fände. Er hielt die Augen angestrengt auf den Boden gerichtet und suchte nach Spuren, doch so sehr er sich auch mühte, er fand nichts.
Hatte da nicht etwas geknackt? Peter richtete sich auf und spähte umher. Aber er war völlig allein, und außer dem leisen Rascheln vom Wind bewegter Blätter war nichts zu hören. Die Isar floß behäbig dahin, und auf ihrem Rücken blitzten und glitzerten nur die Strahlen der Morgensonne. Er setzte die Suche fort, blieb aber angespannt und hellhörig. Da – war da nicht wieder ein helles, scharfes Knacken zu hören, wie wenn jemand auf einen Ast tritt? Peter fuhr herum, konnte aber wieder nichts Ungewöhnliches feststellen. Ein Hase vielleicht oder ein Rebhuhn? Ein Keiler würde sicherlich lauter durchs Gehölz brechen. Der aufgeschreckte Sucher verhielt sich eine Weile lautlos, lauschte angestrengt. Doch das Geräusch war nicht wieder zu hören. Allerdings war es Peter nicht mehr recht wohl in seiner Haut, und er griff instinktiv an seinen Gürtel. Dort hing freilich kein Dolch, geschweige denn ein Schwert. Was war er nur für ein Narr, sich völlig unbewaffnet an einen solchen Ort zu begeben! Wenn nun gar einer dieser Kerle… Peter dachte den Gedanken nicht zu Ende und hielt es nun für das beste, sich schleunigst von diesem gefährlichen Flecken fortzumachen. Er bewegte sich vorsichtig in Richtung des Hohlwegs, der nach oben führte, wobei er sich pausenlos umschaute.
»Verdammt!« Er war gestolpert, raffte sich wieder auf, drängte vorwärts. Das Licht der Morgensonne fiel jetzt genau auf den Westhang und ließ das frische Grün der Büsche und Bäume erstrahlen. Ihm war heiß. Das Herz pochte ihm bis in die Ohren und zeitweilig befürchtete er, die Beine würden ihren Dienst versagen. Er lief zunehmend schneller, hatte fast den Anstieg erreicht, schaute sich noch einmal um. Für einen Augenblick sah er genau in die Sonne, wurde vom grellen Licht des Feuerballs geblendet. Wie die Engel in meinem Traum, durchfuhr es ihn. Und dieser scheinbare Blick ins Paradies war das letzte, was er von dieser Erde mitnahm, als ihn ein fürchterlicher Schlag auf den Schädel niederstreckte.
»Versoff’ner Apostel, wach endlich auf!«
Agnes rüttelte den Klumpen, der breit über zwei Bänke hingestreckt lag wie ein Kuhfladen im Stroh und ungefähr ähnlich duftete.
»Wer? Ich vielleicht?« grunzte das Bündel.
»Wer sonst, oder heißt hier noch einer Paul?«
»Pankratius, verehrte Dame«, protestierte der sich mühsam aufrichtende Zecher gestelzt, »und der war kein Apostel, sondern ein ritterlicher Knabe.«
Agnes mußte über soviel Dreistigkeit schon wieder lachen. »Dir ist wohl jedes Mittel recht, um von deiner Sauferei abzulenken. Du würdest noch vorm Henker leugnen.«
»Wäre es denn möglich, verehrte Wirtin, einen Becher Bier als morgendliches Labsal für einen Siechen zu erhalten?«
Die kokette Bitte verfing nicht bei Agnes. »Nichts da«, wehrte sie lachend ab. »Dir läuft das Bier ja noch bei den Ohren raus. Du gehst jetzt erst in den Hof und wäschst dich, und dann sehen wir weiter.«
»Ihr seid grausam, edle Herrin! Waschen könnte meinen Tod bedeuten.«
»Ich werd’ gleich noch viel grausamer sein«, drohte sie und hob den Besen, mit dem sie gerade am Fegen war.
»Weisheit weicht der Gewalt«, knurrte Paul und trollte sich notgedrungen nach draußen. Er ging zum Trog und überlegte eine Weile, was seiner Gesundheit wohl abträglicher sei: Das Wasser oder die Mißachtung einer Anweisung der Wirtin. Er entschied sich mit Bedacht fürs letztere und tauchte seinen Brummschädel in den Trog.
Agnes war danach bereit, dem Getauften wieder ihre Gunst zu gewähren und wies die Magd an, einen Teller Suppe, Brot und etwas Dünnbier zu bringen, während sie selbst sich zu ihm setzte.
»Weißt du, manchmal mach’ ich mir schon Sorgen um dich. Hast
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