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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Pferde langsam weitertraben, bis sie wieder die Stelle erreicht hatten, von der es hieß, daß hier vor Zeiten eine bedeutende Römerstraße nach Augsburg geführt habe. Peter schoß durch den Kopf, daß diese Straße wohl nur sinnvoll und möglich war, wenn es dort unten einen Isarübergang gegeben hatte. Folglich mußte auch ein Weg hinunter führen. Er lenkte das Fuhrwerk ein wenig weg von der Straße unter den Schutz tiefhängender Äste und bat Perchtold, auf Pferde und Wagen achtzugeben, während er selbst zum Fluß absteigen und sich dort ein wenig umsehen wollte. Sie vereinbarten einen grellen Pfiff bei eventueller Gefahr, und Perchtold versicherte tapfer, daß ihm nicht bange sei.
    Die ehemalige Straße führte hier in der Tat in einem noch gut ausgeprägten und kaum zugewachsenen Hohlweg nach unten, und es dauerte auch nicht lange, bis Peter das Ufer der Isar erreichte. An dieser Stelle mußte es einmal eine Brücke oder zumindest eine Furt gegeben haben. Und irgendwo hier mußte Jakob Floßbruch erlitten haben, wobei am jetzigen Uferrand wohl kaum etwas zu finden war. Peter ging ein Stück entlang und suchte sich die Stelle aus, an der ein Floß, das nicht oder falsch gesteuert wurde, ans Ufer auflaufen mußte. Er ging vom Fluß weg über den angeschwemmten Kies ein Stück weit die Böschung hinauf, bis zu der Höhe, an die seiner Vermutung nach das Hochwasser reichen konnte. Nach kurzem Suchen fand er eine Stelle, an der der Boden ziemlich zerfurcht und zertrampelt aussah. Etliche Büsche waren umgeknickt oder arg zerrupft. Einige langgezogene Einkerbungen mochten Schleifspuren sein, und es fanden sich zahlreiche Hufabdrücke von Pferden oder Maultieren. Etwas weiter hinter den nächsten Büschen war der Boden übersät mit Holzsplittern und Sägemehl, die nur schlecht verwischt oder mit Zweigen überdeckt waren. Noch ein Stück näher dem Hang zu wies der weiche Boden etliche runde Abdrücke auf. Es bedurfte keines Wahrsagers um festzustellen, daß an dieser Stelle noch vor kurzem reges Treiben geherrscht hatte.
    Peter war überzeugt davon, daß hier das Floß zerlegt und die Stämme zum Abtransport zerkleinert worden waren. Die Fässer hatte man vermutlich mit Maultieren weggeschafft. Doch wer steckte hinter dem Ganzen? Peter glaubte nicht an einen Unfall. Früher galt zwar die Regel, daß gestrandetes Gut dem Finder oder dem Eigentümer von Grund und Boden gehörte. Sogar die Schiffbrüchigen gingen in Besitz des Grundherrn über und mußten entsprechend ausgelöst werden. Aber Peter wußte in seiner Eigenschaft als Ländpfleger natürlich auch, daß König Ludwig zur Förderung des Handels vor etwa drei Jahren das Grundruhrrecht auf allen Flüssen seines Landes aufgehoben hatte. Wenn sich also nicht irgendwelche Anrainer oder Flußratten, die vorgaben, von dieser Regelung noch nie etwas gehört zu haben, die Güter angeeignet hatten, dann mußte die ganze Sache geplant gewesen sein. Und der Ort war für eine Schurkerei gut gewählt, denn vom Bergfried der Baierbrunner Festung war er nur unzureichend, von der Burg zu Grünwald überhaupt nicht einsehbar. Der Talboden lag so tief, daß die Turmspitzen der Peterskirche wohl kaum über den Steilhang hinausgereicht hätten. Von oben war also wenig zu sehen und zu hören. Und Floßleute, die auf dem Fluß daherkamen, waren zunächst so mit dem großen Heiner beschäftigt, daß sich die Diebe leicht hinter die Büsche verdrücken konnten. Obwohl die Straße oben belebt war, war bei dem Klappern der Hufe und Rattern der Karren kaum etwas von dem hinterhältigen Unternehmen zu bemerken. Außerdem konnte man Wachen postieren. Waren Holz und Fässer erst einmal nach oben geschafft, dann dürften sie kaum mehr Aufsehen erregt haben. Und die herzoglichen Überreiter, die für Sicherheit sorgen sollten und die Landstraßen vor den Toren Münchens nach unverzollten Gütern absuchten, waren in erster Linie an der Kontrolle des gewinnträchtigen Salzhandels interessiert, der die Stadt in Ost-West-Richtung durchströmte.
    Genau besehen erschien also dieser Plan sogar verteufelt gut. Der Wein dürfte ein beachtliches Sümmchen erbringen, und Holz war überall leicht loszuschlagen oder für den Eigenbedarf günstig. Nur Jakob, ja, der war ihnen vermutlich in die Quere gekommen. Peter erinnerte sich, daß er vor Tagen im Gespräch mit Paul noch von einem einzelnen Mörder ausgegangen war. Jetzt schien es ihm so, daß hier eine ganze Bande von Mordbuben am Werk war, die

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