Der Waechter
auf Konrad hatte, war hilfreich. Denn sie verhinderte, dass Jenny selbstmitleidig zusammenbrach. Bis zum Schulbeginn hatte sie sich soweit im Griff, dass sie keinen Zweifel mehr daran hatte, allem was sie in der Schule erwarten würde mit Stärke begegnen zu können. Sie war nicht davon überzeugt, dass Konrad tatsächlich die Schule für immer verlassen hatte, denn er war auch nicht in den Norden zurückgegangen.
Jenny hatte sich mit Wimperntusche, Ohrringen und Lipgloss zurechtgemacht. So fühlte sie sich gleich besser. Zumindest bis zu dem Moment, da sie das Schulgebäude betrat. Denn dort in der Vorhalle unterhielt sich Konrad mit Stefanie. Jenny blieb kurz stehen und atmete tief ein. Egal, wie stark sie sich gefühlt hatte, egal wie entschlossen und wütend sie gewesen war, es schmerzte schrecklich, die Zwei beieinander zu sehen. Jenny musste Stärke beweisen. Keinesfalls würde sie sich in eine Ecke verkriechen und vor sich hin weinen. Sie straffte ihre Schultern und absichtlich ging sie an Konrad und Stefanie vorbei. Konrad entdeckte sie sofort.
«Morgen!», sagte sie zu beiden und lief weiter.
«Hi!», antwortete Stefanie.
«Morgen Jenny, warte mal», sagte Konrad, verabschiedete sich schnell von Stefanie und lief Jenny nach.
«Wir müssen reden!», sagte er in bestimmendem Ton zu ihr.
«Einen Scheißdreck müssen wir!», antwortete sie knapp und ging die Treppe hinauf.
Eine Horde Fünftklässler stürmte zwischen ihnen hindurch und riss sie auseinander. Ein letztes Mal drehte Jenny sich um, sah Konrad am Treppenabsatz stehen und ihr mit Bedauern im Gesicht nachschauen. Jedenfalls hatte sie das letzte Wort gehabt!
Die triumphale Stimmung, die Jenny durch ihre Überlegenheit bei der ersten Begegnung mit Konrad hatte, hielt nicht lange an. Eigentlich nur ganze zwei Sekunden, aber sie war kummererfahren genug und kannte das Wellenbad der Gefühle nach solchen Enttäuschungen. Wichtig war, dass sie Haltung bewahrte, Stärke bewies und keinesfalls weinend zusammenbrach. Ihrer Meinung nach hielt sie sich gut. Sie verbrachte die Pausen abwechselnd mit Nina, Kassandra und Corinna. Schweiften ihre Gedanken zu Konrad ab, peitschte sie sich sofort zu einem gedanklichen Richtungswechsel. Niemand würde sie so verletzten und dann auch noch beweint werden! Nun also wollte er mit ihr reden? Wo war er denn nach dem Kuss gewesen? Und die Tage darauf? Da hatte sie Antworten gebraucht und keine bekommen.
In der großen Pause konnte Jenny es nicht lassen, nach Stefanie zu suchen. Wie lange es wohl dauern würde, bis Konrad neben ihr auftauchte? Es dauerte nicht lange. Natürlich tat es weh ihn zu sehen, wie er stark in seinem vertrauten Blauschimmer neben Stefanie stand. Doch viel mehr schmerzte es Jenny, dass die beiden ein hübsches Paar abgaben. Die perfekte Stefanie mit dem schönen Konrad. Jenny konzentrierte sich, atmete tief durch und spannte ihr Innerstes an. Sie spürte, wie ihre Energie sich regte. Als sie an sich hinunter blickte, sah sie sich leicht rosa leuchten. Ein Blick zu Konrad zeigte ihn in seinem traumhaften Blau. Bei Stefanie tat sich gar nichts. Sie war keine Seelenträgerin! So gut hätte sie sich noch nicht schützen können. Außerdem sah Jenny häufig – wenn auch nicht immer - selbst die Fragmente der Seelenträger, die sich schützten. Wenigstens etwas, das Stefanie nicht hatte. Allerdings war damit auch die einzig plausible Begründung für Konrads Interesse an ihr die, dass er auf sie stand.
Ich kotz gleich!
Noch einmal trafen sich an diesem Schultag Jennys und Konrads Blicke. Auch wenn er sich nichts anmerken ließ, Jenny spürte, dass er, warum auch immer, traurig über ihren Verlust war, denn sein blaues Licht wirkte eine verletzte Nuance stumpfer als sonst.
16. Kapitel
Es ist blendend hell um Jenny. Und kuschelig warm. Sie badet in einem dichten Nebel aus goldenem Licht. Schwebend bewegt sie sich darin fort. Liebe und Vertrauen umhüllen, trösten sie. Sie war traurig, als sie hineinging. Doch nun ist sie glücklich, unsagbar glücklich. Sie wird hinein gesogen in das goldene Meer von Licht, hindurchbalanciert. Sie lässt sich treiben. Wo auch immer es sie hinführt, genau dort soll sie sein. Sie spürt es, sie hört es, sie weiß es. Sie schwebt aus dem Licht, hinaus aus Wärme, Liebe und Vertrauen. Wird ausgespuckt wie das Neugeborene aus dem vertrauten Schoß der Mutter.
Jetzt ist es dunkel, kalt und windig. Langsam schwebt Jenny wie ein Blatt im Wind über dem kleinen
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