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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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spürte er jedoch keinerlei Schwierigkeiten.
    Oft trugen diese gewaltigen Vatergesichter eine edle Miene zur Schau, einen Ausdruck furchtloser Entschlossenheit oder grimmiger Wildheit, manche lächelten jedoch auch. Eines zwinkerte; eines lachte lautlos. Einige blickten zärtlich oder verträumt, aber nicht auf Fric, sondern auf berühmte Frauen mit ebenso großen Köpfen.
    Während Frics Gedanken immer langsamer kreisten und sich allmählich stabilisierten, fiel ihm plötzlich der Mann ein, der aus dem Spiegel gekommen war. Er setzte sich bolzengerade auf.
    Eine kleine Weile drehten seine langsam wirbelnden Gedanken sich wieder schneller.
    Übelkeit stieg in ihm auf. Fric widersetzte sich dem Drang zu speien und fühlte sich dabei fast wie ein Held.
    Schließlich wagte er es, das Kinn etwas zu heben, um zwischen den Dachsparren Ausschau nach dem flügellosen Phantom zu halten. Flog irgendwo eine schemenhafte Gestalt im grauen Anzug umher, glitten schwarze Schnürschuhe mit der Anmut eines Eisläufers durch die Luft?
    Statt eines fliegenden Gespensts sah er überall nur die schützenden Väter, im Vierfarbendruck, zweifarbig akzentuiert, in Schwarz-Weiß. Sie kamen auf ihn zu, sie zogen sich zurück, sie umkreisten ihn, sie ragten über ihm auf.
    Papierväter allesamt.
    Bedingt wagemutig, kam Fric auf die Beine und stand einen Augenblick da, als balancierte er auf dem Hochseil.
    Er lauschte, hörte jedoch nur den Regen. Den unaufhörlich das Haus belagernden, alles auflösenden Regen.
    Zu schnell, um als vorsichtig, und zu langsam, um als mutig gelten zu können, suchte Fric sich einen Weg durch das Labyrinth der Denkwürdigkeiten. Sein Ziel war die Treppe nach unten, und möglicherweise war es unvermeidlich, dass er dabei auf den von Schlangen umrahmten Spiegel stieß.
    Eigentlich wollte er einen weiten Bogen darum machen, aber irgendwie übte das silbern schimmernde Glas eine dunkle, machtvolle Anziehung auf ihn aus. In der Erinnerung kam ihm die Begegnung mit dem Mann aus dem Spiegel mal wie ein Traum vor, mal so wirklich wie der eigene Angstschweiß, den er roch.
    Er spürte die Notwendigkeit, zu wissen, was wirklich war und was nicht, vielleicht, weil ihm zu viel in seinem Leben unwirklich vorkam und er außerstande war, auch nur eine weitere Ungewissheit zu ertragen. Nicht gerade tapfer, aber auch nicht so feige, wie er eigentlich von sich erwartet hätte, ging er auf den Schlangenspiegel zu.
    Die jüngsten Ereignisse hatten ihn davon überzeugt, dass das Universum von Aelfric Manheim und das von Harry Potter heimlich, still und leise auf Kollisionskurs waren. Deshalb wäre er zwar erschrocken, aber nicht besonders überrascht gewesen, wenn die geschnitzten Schlangen auf magische Weise lebendig geworden wären und nach ihm geschnappt hätten. Glücklicherweise rührten die bemalten Schuppen und die ineinander gewundenen Schlingen sich nicht, und in den grünen Glasaugen glitzerte nur leblose Bosheit.
    Im Spiegel sah er nur sich selbst und ein verkehrtes Stillleben aller Dinge, die sich hinter ihm befanden. Kein Blick ins Anderswo, keine Spur vom Jenseits.
    Zaghaft streckte Fric die rechte Hand nach seinem Spiegelbild aus und war bestürzt, wie stark sie zitterte. Das Glas fühlte sich kühl, glatt und unleugbar massiv an.
    Als er die flache Hand an die silberne Oberfläche drückte, kam die Erinnerung an Moloch ihm endgültig weniger wie eine wirkliche Begegnung als wie ein Traum vor.
    Dann merkte er, dass die Augen seines Spiegelbilds nicht die grüne Farbe hatten, mit der er aufgewachsen war, das Grün, das er von der Quasimama geerbt hatte. Diese Augen strahlten in einem seidigen Grau, in das nur einzelne grüne Spuren eingesprenkelt waren.
    Es waren die Augen des Spiegelmanns.
    In dem Moment, in dem Fric diesen entsetzlichen Unterschied an seinem Spiegelbild bemerkte, kamen zwei Männerhände aus dem Spiegel, ergriffen seine Hand und legten etwas hinein. Dann schlossen sie sich, drückten seine Hand zur Faust zusammen und zerknüllten den empfangenen Gegenstand, bevor sie Fric von sich wegstießen. Schaudernd spürte Fric, dass das Ding in seiner Hand gleichzeitig glatt und scharfkantig war. Entsetzt warf er es zu Boden und rannte los.
    Während er panisch den letzten Gang entlang zur Wendeltreppe hetzte und dann immer rundherum den Weg zum zweiten Stock hinab, klatschten seine Sohlen mit solcher Wucht auf den Boden, dass die Metallstufen hinter ihm wie eine Reihe Trommelfelle bebten, die ein Donnerschlag

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