Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)
zu verbannen, was umso leichter war, als er selten in die Verlegenheit kam, sich ihn vom Leib halten zu müssen. Beidem, Ruhmsucht wie Geldgier, begegnete er mit Bannsprüchen. Im Februar 1796 schrieb er an Münchhausen: »Das Schriftstellerwesen behagt mir aber im Grunde sehr wenig; und gebe der Himmel, dass ich es nie zu meiner Resource des Unterhalts brauchen darf.« Im März 1798 an Göschen: »I covet nor money nor glory« – »ich begehre weder Geld noch Ruhm«; ein Jahr später an Gleim: »Ihr Lob soll mich nicht verderben; aber Ihr Tadel soll mir nützen«; im August 1799 an Münchhausen: »Ich habe keine sonderliche Leidenschaft für Ruhm, noch weniger für Reichtum«; im März 1803 an Böttiger: »Ich singe nicht um Geld und Ruhm, sondern aus Bedürfnis meines Herzens«; im August 1804 an Cotta: »Dass ich für Geld und Namen und Lärm und dergleichen Firlefanz nichts mache, bürgt Ihnen gewiss mein Charakter.« Und noch in den letzten Lebenswochen versicherte er Arnoldine Wolf: »Um den Literator und Dichter ist es mir weniger zu tun. Um den gewöhnlichen Beifall bekümmere ich mich nicht viel und um die Kritiker noch weniger, da ich bloß dem Bedürfnis meiner Seele lebe.«
Ehre und Ruhm
Im Freundschaftszimmer des Gleimhauses in Halberstadt hat auch Seume sein Eckchen und blickt mit finsterer Miene auf den Besucher der guten Museumsstube. Bei dem Gemälde handelt es sich nicht um das von Schnorr von Carolsfeld angefertigte Original, sondern um die 1939 vorgenommene Übermalung eines Restaurators nach dem Vorbild einer von Schnorr selbst angefertigten Kopie. Ist diese Nachbildung nach dem Vorbild einer Kopie des Originals nicht ein seltsames Sinnbild für Seumes prekäre Identität, für das Schillern und Schwanken seiner Persönlichkeit, das so eigenartig, das wirklich auf ganz eigene Art mit der von Seume so oft behaupteten Geradlinigkeit und Wahrhaftigkeit seines Charakters kontrastiert?
Das von einem Bildnis Seumes übermalte Bildnis Seumes ist aber noch in anderer Hinsicht ein Sinnbild. Ohne Seumes Ruhm wäre diese Übermalung vermutlich unterblieben, und so veranschaulicht das Gemälde, wie sich die Nachwelt ihr Bild von einem Berühmten macht, auch wenn dieses Bild nicht aus der Luft oder aus der Phantasie gegriffen ist, sondern den Anspruch erhebt, sich nach dem Original zu richten – oder wenigstens nach einer Kopie des Originals. So wie Seumes Selbstbild eines zwischen imaginären Spiegeln gewesen ist, so ist Seumes Ruhm das Ergebnis von Projektionen, die sein eigenes Bild von Ehre überlagerten. Ihm war nicht darum zu tun, »seinen Ruhm warm zu halten«, wie Napoleon gesagt haben soll, sondern seine Ehre zu verteidigen, noch über das Lebensende hinaus. An Johanna Devrient, geborene Loth, schrieb er:
»Unter meinen bessern Landsleuten werde ich auch nach meinem Tode als ein Mann von Ehre leben; das bin ich gewiss, denn ich habe mehrere Gedanken gegeben, die gut sind und sich in der Menge gewöhnlicher Bücher nicht finden.«
Die Unterscheidung zwischen Ehre und Ruhm war in seinen Augen selbst einer dieser Gedanken. Noch in den Apokryphen , die er selbst dem Publikum ja nicht mehr geben konnte, treibt er mit den Schlägen seiner Aphorismen den moralischen Keil tiefer zwischen den öffentlichen Ruhm und die persönliche Ehre:
»Ehre hatten Aristides [›der Gerechte‹] und vielleicht Miltiades [der Sieger von Marathon, über den Seume ein Theaterstück schrieb]; Ruhm haben Cäsar und Napoleon. Wo nicht Vernunft, Gerechtigkeit und Freiheit ist, kann zwar großer Ruhm sein, aber von Ehre ist nicht die Rede.«
»Ruhm enthalten die Zeitungsblätter und die ora populi [Volkslegenden]. Ehre ist die reine Würdigung des Wahren und Guten, und ihre feste Beharrlichkeit darin das Große.«
»Den Ruhm soll der Weise verachten, aber nicht die Ehre. Nur selten ist Ehre wo Ruhm ist, und fast noch seltener Ruhm, wo Ehre ist.«
Aber ist der Ruhm nicht das Schwungrad des Willens? Er gibt doch »die Kraft, welche die Seele aus ihrer Trägheit reißt und sie zu nützlichen, notwendigen und edlen Taten begeistert«. So hat es Friedrich II., den man rühmend »den Großen« nennt, in der Histoire de mon temps , der Geschichte meiner Zeit von 1775 aufgefasst. Seume indessen setzt dem Ruhm in der Geschichte die Ehre vor sich selbst entgegen, wenn er auch hofft, in dieser Ehre dann doch auch nach seinem Tode weiterzuleben, jedenfalls bei denen, die selbst Ehre im Leib haben.
Seumes strenge (und
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