Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
Zeigefinger auf ihn.
Benjamin wusste nicht, was er entgegnen sollte.
» Im tiefsten Inneren unserer Seele sind wir immer noch Soldaten. Lassen Sie sich bloß nicht von meinem Anzug täuschen, Benjamin.« Er kehrte die Handflächen nach innen und zeigte auf sich selbst. » Kosovo 1994. Die Panzereinheit des skandinavischen Bataillons. Im Herzen bin ich immer noch Oberst. Das kann mir niemand nehmen. Ebenso wenig wie Ihnen jemand Ihre Tapferkeitsmedaille nehmen kann.«
Benjamin nickte.
» Was ich Ihnen anbieten kann, ist ein Job in unserer operativen Einheit.«
Benjamin starrte ihn ungläubig an. » Sie meinen … als Leibwächter.«
» Wir nennen es Sicherheitsberater.«
Benjamin glaubte, sich verhört zu haben. » Aber ich …«
Løvengren hob die Hände, als bitte er um Ruhe. » Wir haben ein dreiwöchiges Rekrutierungsprogramm, in dem Sie die wichtigsten Fertigkeiten im Personenschutz erwerben: Selbstverteidigung, Waffentechnik, Gruppenformationen, Fahrtraining und vieles mehr. Wir besitzen ein internationales Team von Ausbildern, die von Headhuntern in der ganzen Welt zusammengesucht wurden. Auch frühere Elitesoldaten befinden sich darunter.«
» Das … das hört sich sehr spannend an.«
» Das ist es auch.« Løvengren nickte ernst. » Natürlich gibt es auch eine Abschlussprüfung, die überaus anspruchsvoll ist, doch wenn Sie diese bestehen, gehören Sie danach zu unserem Team.«
Løvengren erhob sich.
» Fahren Sie jetzt nach Hause, und lassen Sie sich alles in Ruhe durch den Kopf gehen. Ich hätte natürlich Verständnis dafür, wenn Sie einer Karriere bei der Polizei den Vorzug geben, aber die Erfahrungen, die Sie hier sammeln, und das Gehalt …« Er lächelte. » Da kann die Polizei nicht mithalten.«
Benjamin stand auf. Er war von Løvengrens Angebot völlig überwältigt. Das war genau das, was er wollte, wovon er aber nicht zu träumen gewagt hatte. Doch mit den richtigen Leuten um ihn herum konnte es ihm gelingen. Das wusste er. Die Angst, die ihn seit seiner Heimkehr begleitet und alles unerträglich gemacht hatte, war verschwunden und einer großen Euphorie gewichen. Dasselbe hatte er damals bei seinem Aufbruch nach Afghanistan empfunden. Jetzt schreckte ihn nicht einmal mehr der Gedanke, möglicherweise zu einem abermaligen Einsatz nach Afghanistan beordert zu werden. Als hätte er die Chance bekommen, noch mal von vorne anzufangen.
Sie konnten ihm sofort einen Vertrag unter die Nase halten, und er würde nicht zögern zu unterschreiben.
» Rufen Sie mich morgen an, Benjamin.« Er reichte ihm die Hand.
» Ja, danke … Das werde ich tun. Ganz bestimmt.«
*
Nachdem Benjamin gegangen war, öffnete sich die Tür zum angrenzenden Büro. L. T. trat ein. Er hatte das Gespräch auf einem Monitor verfolgt. Løvengren setzte sich auf einen Stuhl und wandte sich L. T. zu.
» Wir haben Kandidaten, die ein bisschen mehr in der Birne haben als er. Dafür scheint er ja sehr engagiert zu sein, und seine Unterlagen sprechen für sich.«
L. T. nickte. » Aber er lügt, wenn er sagt, dass er keine psychischen Probleme hat.«
» Ja, das ist mir völlig klar.«
L. T. verschränkte die Arme. » Du willst ihn das Programm absolvieren lassen? Testen, was er kann?«
» Break or hire.«
» Okay«, entgegnete L. T.
Løvengren gab ihm die Mappe. » Was ist mit Bjarne? Ist der schon da?«
» Der kommt später«, antwortete L. T. » Der musste zum Arzt mit der Schramme, die er abbekommen hat.« Er zeigte auf seine Nase.
Løvengren biss sich in die Lippe. » Bring ihn zur Vernunft. Wir haben keinen Platz für Schläger. Das ist hier ein seriöses Unternehmen. Ich habe in dieser Woche Vertragsverhandlungen mit FL Smidth und dem Außenministerium.«
» Ich rede mit ihm.«
» Mach ihm klar, dass das seine letzte Chance ist.«
L. T. nickte.
20
Die verschwitzten Spieler lehnten am Zaun des Basketballfeldes und atmeten schwer. Gerade waren die Scheinwerfer angegangen und verliehen dem Platz in der Dämmerung eine sonderbare Aura. Das Mittwochstraining für die Rowdys dieser Gegend war vorbei.
Katrine und Saajid saßen nebeneinander, ihre Hände berührten sich fast auf dem feuchten Boden. Unbemerkt von den anderen strich Saajid kurz mit dem kleinen Finger über ihre Hand. Katrine zog die Hand weg.
Weiter hinten debattierten ein paar Jungen miteinander.
» Ich schwöre, dass die Bullen seit über einer Woche nicht hier waren«, sagte Ismail und spuckte aus. Er war ein kleiner gedrungener Kerl mit
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