Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
die Tür zu ihrem Zimmer aufgetreten. Die hellen Lichtkegel großer Taschenlampen fegten durch den Raum, bis sie die Gesichter von Jan und Benjamin fanden.
Benjamin versuchte sich mit einer Hand gegen das blendende Licht zu schützen. Im nächsten Augenblick wurde er herumgerissen, jemand rammte ihm das Knie in den Rücken. Sie fesselten ihm die Hände mit Plastikstrips auf dem Rücken und stülpten ihm eine Kapuze über den Kopf. Der Test hatte begonnen.
Mit auf dem Rücken gefesselten Händen und Kapuzen über den Köpfen wurden die nur mit ihrer Unterwäsche bekleideten Anwärter im strömenden Regen auf dem Innenhof zusammengetrieben. Um sie herum standen zwölf Männer in schwarzen Kampfanzügen und Sturmhauben, die ihnen in gebrochenem Englisch derbe Flüche und Beschimpfungen entgegenschleuderten.
Ein älteres Militärfahrzeug mit offener Ladefläche fuhr heran. Einer nach dem anderen wurden die Anwärter auf die Ladefläche verfrachtet, wo sie so dicht nebeneinander auf dem Bauch lagen, dass sie sich nicht rühren konnten.
Die Plastikfesseln schnitten schmerzhaft in Benjamins Handgelenke. Da er ganz außen lag, spürte er die kalte Stahlkante an seinen Rippen. Der eisige Regen prasselte auf sie herab. Die Kapuzen, die man ihnen über die Köpfe gezogen hatte, stanken nach Schimmel und Erbrochenem. Er wusste nicht, wer neben ihm lag und hysterisch schluchzte. Die Schwäche des anderen schien Benjamin Stärke zu verleihen. Sie würden ihn nicht kleinkriegen.
Der Lastwagen setzte sich in Bewegung. Seine harte Federung bewirkte, dass jede Unebenheit des Weges auf der Ladefläche wie ein Faustschlag zu spüren war, was den Anwärtern das Atmen fast unmöglich machte. Viele von ihnen beklagten sich, doch Benjamin nahm sich zusammen und verhielt sich ruhig.
Nach einer Weile hielt der Lastwagen an. Einer nach dem anderen wurde von der Ladefläche gehoben und an den Wegesrand gestellt. Dort bildeten die vor Kälte zitternden Anwärter eine lange Reihe. Einer der maskierten Männer zückte eine Pistole und spannte den Abzug.
Benjamin erkannte das metallische Geräusch sofort wieder. Dann hörte er ein infernalisches Krachen. Gefolgt vom Geräusch eines Körpers, der auf dem Boden aufschlug. Das konnte nicht sein! Das spielten sie ihnen nur vor! Doch ehe er weiterdenken konnte, ertönte der nächste Schuss, gefolgt vom dumpfen Aufschlagen eines weiteren Körpers. Die Schüsse näherten sich ihm. Er hörte seinen Nebenmann umfallen. Sein Herz raste. Er fühlte die Pistole, die an seine Stirn gehalten wurde, sowie den Luftdruck, der aus der Mündung entwich, als sie abgefeuert wurde. Im nächsten Augenblick wurden ihm die Beine unter dem Körper weggetreten.
Wieder waren Schüsse zu hören, während die Reihe abgeschritten wurde. Benjamin lag zitternd auf der Erde. Sie roch nach Humus, Schießpulver und Pisse. Erst jetzt nahm er die feuchte Wärme in seiner Unterhose wahr.
Die Anwärter wurden auf die Beine gezogen und in den Pferdestall des heruntergekommenen Bauernhauses geführt. Mit dem Gesicht nach unten mussten sie sich in die Boxen mit dem stinkenden, verfaulten Stroh legen.
Benjamin hörte einen Tumult in der Nebenbox, als einer der Anwärter geholt und aus dem Stall geführt wurde. Kurz darauf hörte man seine Schreie, die aus dem Hauptgebäude drangen. Alles wirkte vollkommen unwirklich. Benjamin dachte, dass sie die Schreie genauso fingiert haben mussten wie die Erschießungen. Mit dem einzigen Ziel, ihnen Angst zu machen. Kurz darauf wurde der nächste Anwärter geholt. Wieder waren Schreie zu hören. Dann war alles still.
Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Vielleicht eine halbe, vielleicht eine volle Stunde. Er horchte nach den anderen, aber er schien inzwischen vollkommen allein zu sein. Vielleicht war das ein Teil seiner Aufgabe. Vielleicht sollte er sich freikämpfen. Doch wusste er nicht, wie er das anstellen sollte. Seine Hände waren immer noch stramm auf dem Rücken fixiert, und die am Hals zugeschnürte Kapuze nahm ihm jede Sicht. Das Einzige, was er hätte tun können, war, um Hilfe zu rufen, aber das wagte er nicht. Er war hungrig und durstig. Sein gesamter Körper schmerzte von der unbequemen Lage. Vielleicht hatten sie ihn vergessen …
Er hörte sich nähernde Stimmen. Er wurde hochgerissen und aus dem Stall geführt. Es fiel ihm schwer, ihnen ins Hauptgebäude zu folgen, weil seine Beine eingeschlafen waren.
Sie legten ihn auf einen Tisch.
» Wie lautet das Codewort?«,
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