Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
musste Mark noch die Reihenfolge der Dichternamen lernen, da alle Gedichte nur einen einzigen Titel haben konnten: „Lenin“.
    „Haben Sie sich vorbereitet?“, wollte die Stimme am Telefon von Mark wissen.
    „Ja, es ist alles bereit, Genosse Urluchow“, antwortete Mark.
    „Gut. Bleiben Sie zu Hause, wir schicken einen Wagen!“
    Sie fuhren tatsächlich in den Kreml.
    Mark, der sich um die Gesundheit des Papageis sorgte, bedeckte den Käfig mit einem wollenen Winterüberzug. Die ganze Fahrt über sah der Chauffeur immer wieder zu dem seltsamen Käfig hinüber.
    Der Wagen hielt vor einem niedrigen Ziegelgebäude.
    Mark öffnete die Tür, spannte den Schirm auf und stellte sich mit dem Käfig in der Hand darunter.
    Der diensthabende Milizionär saß mit dem Gesicht zur Tür hinter einem Tisch, auf dem zwei Telefonapparate standen. Er las gerade, sah aber gleich von den Zeilen auf.
    „Zu wem wollen Sie?“, fragte er in sehr höflichem Ton.
    „Ich weiß es nicht …“, sagte Mark ratlos. „Ich soll auftreten …“
    Und als Beweis für seine Worte hob er den mit Stoff verhüllten kegelförmigen Käfig hoch.
    Der Milizionär überlegte kurz, schlug das vor ihm auf dem Tisch liegende Heft auf und blätterte darin.
    „Sind Sie vielleicht Iwanow?“
    „Ja, ja, Mark Iwanow“, freute sich der Künstler.
    „Einen Moment, Genosse Iwanow!“ Der Milizionär verschwand in der Tiefe des Korridors, der hinter seinem Rücken begann.
    Bald kam er in Begleitung zurück.
    „Guten Tag“, der ihn begleitende hagere Mann mittleren Alters streckte Mark die Hand entgegen. „Oberleutnant Woltschanow. Kommen Sie!“
    Sie gingen in ein Zimmer, in dem es beinahe keine Möbel gab. Ein einziger Tisch und einige Stühle standen darin.
    „Unterschreiben Sie bitte hier!“ Woltschanow legte einige bedruckte Blätter vor Mark auf den Tisch.
    „Was ist das?“, fragte Iwanow. „Sind das Finanzunterlagen?“
    „Nein“, antwortete der Oberleutnant. „Das ist Ihre Verpflichtungserklärung, dass Sie alles, was Sie heute sehen werden, unter keinen Umständen weitererzählen. Es wäre für Sie überhaupt das Beste, nach dem heutigen Abend alles über diesen Auftritt zu vergessen. Verstanden?“
    Der Künstler nickte. Er tauchte die Feder in das Tintenfass und setzte seine Unterschrift auf alle Papiere, die ihm zugeschoben wurden.
    „Kommen Sie jetzt mit.“ Woltschanow erhob sich. „Einen Moment, gehört der Ihnen?“
    Er hielt Mark zurück, der schon loseilen wollte, und zeigte auf den kegelförmigen Käfig, der neben dem Tisch auf dem Fußboden stand.
    „Ach, ja!“ Mark fuhr herum und nahm den Käfig. Dann verließen sie das Zimmer.
    Sie gingen lange und folgten dabei Korridoren, die sie nach unten führten.
    Einige Male bekam es Mark mit der Angst zu tun – schließlich stiegen sie tief unter die Erde hinab, und darin lag etwas Bedrohliches.
    Nach einer halben Stunde betraten sie einen mit elektrischem Licht hell erleuchteten Saal.
    Dort standen zwei Soldaten, die ihnen zunickten, ohne ein Wort zu sagen.
    Sie gingen zur Tür. Aus irgendeinem Grund lächelte Woltschanow, während er stehen blieb, dann stieß er die Tür heftig auf.
    Mark wurde geblendet. Er hob beide Hände vor sein Gesicht, um seine Augen zu bedecken. Dabei schlug er mit dem Käfig gegen sein Kinn.
    „Jetzt hören Sie aber auf!“, schnaubte der Oberleutnant verächtlich. „Haben Sie etwa noch nie die Sonne gesehen?!“
    Allmählich gewöhnte sich Mark an den Sonnenschein. Er ließ die Hände wieder sinken und sah sich um: Vor ihm lag eine märchenhafte, umwerfend schöne und doch ganz normale russische Welt mit Wäldern, Hügeln, Feldern und Sträuchern. Verschiedene Wege führten wie in einem Fächer ausgebreitet weg von der Schwelle, auf der er stand.
    Er sah Woltschanow an, da er nach einer wissenschaftlichen Erklärung für dieses Wunder suchte. Schließlich hatte es noch vor vierzig Minuten oben geregnet und hier unten herrschte ein klangvoller russischer Sommer, sogar Vögel waren zu hören!
    Aber Woltschanow schwieg und lächelte.
    „Kusma kann sich aufwärmen!“, dachte Mark plötzlich.
    Er nahm den Wollüberzug vom Käfig und steckte ihn in seine Manteltasche.
    „Kommen Sie!“ Endlich vernahm er Woltschanows Stimme. „Folgen Sie mir!“
    Unter ihren Füßen verlief einer der Wege und schlängelte sich dahin wie ein Frühlingsbach.
    Links von ihnen gab es Haselsträucher, rechts Tannen und vor ihnen lag der Abstieg in eine kleine Schlucht.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher