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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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erweitert werden solle. Sie schlugen ihre Variante vor: Fedka-und-Brigadier-Boris-Schubin-Kommune. Aber mit diesem Namen waren die Rotarmisten nicht einverstanden, und so dauerte der Streit zwischen den Bauarbeitern und den Rotarmisten fort, bis der bucklige Buchhalter die Nase davon vollhatte. Nachdem er mit dem in der Nähe stehenden Archipka-Stepan kurz geflüstert hatte, unterbrach er den Streit, indem er sagte:
    „Dann schlage ich vor, der Kommune gar keinen Namen zu geben, aber allen Umgekommenen demnächst einen Gedenkstein zu errichten.“
    Damit war das Volk einverstanden. Nur Trofim fühlte sich gekränkt und blickte die Bauarbeiter verbittert von der Seite an, vor allem jene, die sich gegen den Namen Fedka ausgesprochen hatten.
    Der Abend war bereits im Anzug, er schob sich wie eine dunkle Welle über den Himmel, und dort, wo sie bereits vorbeigezogen war, erstrahlten die Sterne im Glanz, große und kleine. Und die Welle kam an dem Hügel vorbei und eilte weiter auf den Horizont zu, wo seltsamerweise noch eine helle Linie zu sehen war, die das Ende der sichtbaren Welt markierte.
    Allen war klar, dass es heute kein Abendessen geben würde, und die Menschen gingen unzufrieden und nachdenklich in ihre Ställe. Jeder hatte seine eigene Meinung, und diese stimmte bei vielen nicht mit der Meinung der Versammlung überein, doch das änderte nun auch nichts mehr. Diejenigen, die für das Heizen der Öfen verantwortlich waren, trugen Reisig und Brennholz zu den Lehmöfen.
    Auch der Engel machte sich auf und ließ traurig den Kopf hängen. Er fürchtete nun Katjas Nachbarschaft, denn er konnte sich nicht vorstellen, wie er auf der Bank neben ihr schlafen oder gar auf unvermutete Fragen antworten sollte. Wie konnte er ihr in die Augen sehen, wo er doch wusste, dass vor ihm ein Mensch stand, der sich höchstpersönlich von der Seele losgesagt hatte?! Wo doch schließlich nicht alles in der Macht des Menschen lag. Und da fand der Engel Trost in der Macht des Herrn, denn nur diese Macht konnte den Menschen um seine Seele oder seinen Verstand bringen. Dass aber der Mensch sich mit einem Mal seiner Seele selbst entledigte – sei es aus Dummheit oder aus Naivität! Es war schließlich eine Sache, sich vom eigenen Ohr loszusagen, und eine andere, es abzuschneiden! Das würde nicht jeder tun, schließlich war das Abtrennen eines Ohres sehr schmerzhaft. Aber sich die Seele herauszureißen: Dieser Schmerz war um ein Vielfaches stärker und unerträglicher, und kaum jemand erlitt ihn in seinem Leben. Und so hatte auch Katja, obwohl sie die Existenz der Seele laut ihren eigenen Worten abgelehnt hatte, ihre Seele in Wirklichkeit nicht verloren, ebenso wenig wie diejenigen, die ihr zugehört und zugestimmt hatten, ihre Seelen nicht verloren hatten. Es lag nicht in ihrer Macht, über die eigene Seele zu verfügen! Dem Engel wurde bei diesem Gedanken leichter und er ging ohne Eile zu seinem Stall. Dort ließ ihn eine unerwartete Berührung zusammenfahren, er drehte sich erschrocken um und sah Katja, die ihn am Ellbogen hielt, und er sah auch ein Lächeln auf ihrem Gesicht, das aber gleich darauf wieder verschwand und an dessen Stelle trat Verwunderung als Antwort auf den Schrecken, der sich in seinem Blick widerspiegelte.
    „Was ist mit dir?“, fragte Katja erschrocken.
    Beide blieben stehen und sahen einander an, ohne zu blinzeln, mit unbeweglichem, aber lebhaftem Blick.
    „Was ist mit dir?“, wiederholte sie, und aus ihrer Stimme sprach eine sehr einfache und weibliche Besorgnis. „Bist du etwa krank?“
    „Nein“, presste der Engel hervor und wunderte sich über die Sorge, die in der Frage der Lehrerin mitgeschwungen war.
    „Bist du etwa gekränkt? Ich weiß doch, dass du gläubig bist … Aber das darf nicht sein, verstehst du, wir werden um jeden Gläubigen kämpfen, um ihn zu den Menschen zurückzubringen.“
    „Aber ich bin doch bei euch“, entgegnete der Engel verblüfft.
    „Nein, noch nicht ganz. Aber ich glaube daran, dass du zu uns gehören wirst.“ Katjas Stimme ging in ein nervöses Klagen über und der Engel dachte schon: Ist sie etwa krank geworden? Vielleicht von der Hitze, oder hat sie Fieber?
    „Und wir werden unbedingt, wir werden sogar ganz sicher zusammen sein. Hier wird es ein ganz anderes Leben geben. Glaubst du mir?!“
    Der Engel konnte den Sinn ihrer Worte nicht verstehen, er nickte jedoch, da er an ihre Gesundheit dachte, und sagte nur leise:
    „Ich glaube dir.“
    Da lächelte Katja über

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