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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Deshalb befand er sich auch keineswegs dort, wo er sich hätte befinden müssen, und tat auch keineswegs das Richtige. Und wenn man es ganz genau nahm – dann tat er überhaupt nichts, verschwendete nur seine Kräfte an einen vollkommen nutzlosen Kampf mit den Elementen, an einen Kampf, in dem bereits zwei seiner Kameraden umgekommen waren.
    Plötzlich fühlte Pawel, wie sein Fuß auf eine Unebenheit trat. Er rief den Komsomolzen, und nachdem sie den Schnee mit den Händen weggefegt hatten, zerrten sie den Körper von Walerij Palytsch heraus. Schweigend zogen sie den Piloten ebenfalls in die Mitte des Kreises.
    „Ich werfe den Propellerschlitten an“, sagte Zybulnik und ging zu dem in der Nähe abgestellten Fahrzeug.
    „Wir müssen sie doch auf menschliche Art begraben“, sagte Pawel mit Tränen erstickter Stimme und blickte auf Zybulniks Rücken.
    Zybulnik antwortete nicht.
    Als der Propellerschlitten neben dem zerstampften Kreis stehen blieb, bat der Komsomolze Pawel, ihm zu helfen, die große Kiste auszuladen, die sie vom Lager mitgenommen hatten. In der Kiste befanden sich quadratische Konservendosen aus ölverschmiertem Blech. Sie verstauten sie in der Kabine hinter den Sitzen – dort gab es viel Platz – und die leere Kiste warfen sie in den Schnee.
    „Da legen wir sie hinein und die Kiste verschließen wir“, sagte Zybulnik.
    „Und begraben wir sie?“, fragte Pawel.
    „Ja“, nickte der Komsomolze.
    Zuerst, beschlossen sie, sollte Fjodor auf den Boden der Kiste gelegt werden, aber mit seinem dicken Rentiermantel und noch dazu mit seitlich ausgestreckten Armen, die sich unmöglich anlegen ließen, passte er nicht in die Kiste hinein. Sie mussten sich abplagen, den Mantel von ihm herunterzuzerren, der buchstäblich an den dunkelgrünen Strickpullover angefroren war.
    Schließlich legten sie ihn hinein, und dann, als sie auch Walerij Palytsch den Mantel ausgezogen hatten, legten sie den Piloten obendrauf. Der Deckel der Kiste ließ sich nicht vollständig abnehmen, weil an zwei Stellen quer über den Brettern Blechstreifen angebracht waren. Deshalb hatten sie ihn anfangs einfach zurückgeschlagen, und dann, als die Kiste zum Sarg geworden war, klappten sie den Deckel wieder herunter. Zybulnik verschnürte die Kiste für alle Fälle noch mit gelbem Draht aus der Kabine. Mit großer Anstrengung stellten sie die Kiste zwischen Kabine und Motor und befestigten sie dort.
    „Wir fahren los“, sagte der Komsomolze und kletterte auf seinen Platz hinter das Lenkrad.
    Zurück blieben ein in den Schnee gestampfter Kreis, ein kaputter Schlitten, ein Planensack mit einer Büchse gewürztem Schweinefleisch und zwei Rentiermäntel. Der Propellerschlitten aber raste dahin, und da Pawel nicht wusste, wohin sie jetzt fuhren, blickte er dem Komsomolzen ins Gesicht und wollte ihn schon danach fragen, aber da begriff er, dass es nun auch Zybulnik schwer ums Herz war, und er schwieg. Wozu ihn fragen – dass er nun einmal irgendwohin fuhr, bedeutete, er wusste wohin.
    Der Propellerschlitten hielt in der Nähe des Eingangs zum Militärlager, wo sie schon gewesen waren und von wo sie ihre Suche nach den vermissten und inzwischen gefundenen Kameraden begonnen hatten. Sie zerrten die Kiste hinunter, schleppten sie mit Verschnaufpausen den grauen Korridor entlang, dann ließen sie sie die Betonstiegen hinabrutschen, indem sie von unten gegenhielten, und erst im Hauptraum des Lagers kamen sie wieder zu Atem.
    „Und was dann? Wird man sie später von hier abholen?“, fragte Pawel, der nun spürte, dass ihn die letzten Stunden sehr erschöpft hatten und seine frierenden Hände zitterten.
    „Vielleicht werden sie ja abgeholt …“, antwortete Zybulnik und lenkte den Lichtkegel der Taschenlampe über die linke Wand, vor der Kisten derselben Art übereinandergestapelt standen. „Lass sie uns dorthin stellen, siehst du, dort in der Ecke ist nur eine“, sagte er und zeigte mit dem Lichtstrahl auf die Stelle.
    Das taten sie.
    „Und was dann?“, fragte Pawel etwas zögerlich.
    Statt einer Antwort richtete Zybulnik den Lichtkegel auf die Kisten, die daneben standen, und Pawel sah, was auf jeder Kiste in unregelmäßigen, fetten Buchstaben geschrieben stand: „Gemeiner Soldat Urusbekow Machmud, Gemeiner Soldat Karatscharow I. S., Sergeant Goloborodko W. I.“
    Die seltsame Stimmung, die sich Pawels bemächtigt hatte, erlaubte ihm keine weiteren Fragen, die natürlich sofort aufgetaucht waren und angespannt in den Gedanken

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