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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ich glaubte, dass Ihr gar nicht gewinnen wollt.«
    Eine lange Pause entstand.
    Dann ließ Seagull sein Netz sinken und musterte seine Füße. »Oh.«
    »Nein.« Dann kam Totton auf zwei Schmuggelfahrten zu sprechen, bei denen Seagull Wolle an Bord gehabt hatte – eine für einen Kaufmann aus Lymington, die andere für einen Wollhändler aus Sarum. Seit der ersten Fahrt waren bereits fünf Jahre vergangen, die zweite war jüngeren Datums. Und eines ließ Seagull aufmerken: Der kleine Willie war über keine von beiden im Bilde gewesen. Also konnte Totton sein Wissen unmöglich von den beiden Jungen haben. »Seht Ihr«, schloss Totton seine Ausführungen, »ich habe deshalb mit Burrard um fünf Pfund auf das Boot aus Southampton gewettet, weil ich dachte, Ihr behieltet es lieber für Euch, dass Euer Schiff das schnellere ist. Zumindest erschien mir das einleuchtend.«
    Seagull überlegte. Natürlich entbehrte die Begründung des Kaufmannes nicht einer gewissen Logik. Und offenbar war Leugnen hier Zeitvergeudung. »Wie lange wisst Ihr es schon?«, fragte er deshalb.
    »Seit Jahren.« Totton hielt inne. »Doch jeder Mann soll sich um seine eigenen Geschäfte kümmern. Das ist meine Devise.«
    Seagull betrachtete den Kaufmann mit ganz neuen Augen. Zum richtigen Zeitpunkt den Mund zu halten, war sowohl für die Fischer als auch für die Bewohner des New Forest eine wichtige Tugend. »Ihr wolltet mir einen Handel vorschlagen?«
    »Ja.« Totton lächelte. »Aber es ist nichts dergleichen. Es geht um das Rennen. Wenn mein Sohn Recht damit hat, dass Ihr gewinnen wollt, ändern sich dadurch die Chancen. Und ich habe fünf Pfund gesetzt.« Er hielt inne. »Ich habe gehört, dass Albion fünf Pfund darauf wetten will, dass Ihr verliert. Also bitte ich Euch, seine Wette anzunehmen. Ihr riskiert nicht Euer eigenes Geld – ich werde es Euch geben. Und ich zahle Euch ein Pfund, ganz gleich, wie das Ergebnis aussieht.«
    »Ihr wollt gegen Euch selbst wetten?«
    »Als Rückversicherung.«
    »Aber wenn Ihr mich in jedem Fall bezahlen wollt, macht Ihr doch ein Pfund Verlust. Oder etwa nicht?«
    »Ich habe noch einige andere Wetten abgeschlossen. Wie es auch ausgeht, ich stehe wieder genauso da wie zu Anfang. Wenn Ihr mir helft.«
    »Ich könnte auch verlieren.«
    »Ja. Aber diese Wahrscheinlichkeit lässt sich nicht berechnen. Und in solchen Fällen wette ich nicht.«
    Seagull kicherte. Ihn amüsierte die Gelassenheit des Kaufmannes. Und wenn er sich überlegte, dass er mit dem Gedanken gespielt hatte, den kleinen Jonathan zu ertränken! Nicht nur, dass das nun überflüssig geworden war. Der Junge hatte ihm, Seagull, ein Pfund eingebracht, indem er Tottons Berechnungen durcheinander geworfen hatte. »Gut«, sagte er. »Ich bin einverstanden.«
     
     
    Doch als Henry Totton nun in seiner Halle saß und sich an diese Vereinbarung erinnerte, hätte er sich ohrfeigen können. Er hatte diese dumme Wette abgeschlossen. Doch was war mit seinem Sohn? Warum hatte er ihm dennoch gestattet, den Seemann zu begleiten? Weil der Junge ihn gekränkt hatte und er wütend auf ihn gewesen war. Wütend auf ein kleines Kind, das sich nur auf ein gemeinsames Abenteuer mit seinem Freund freute! Er hatte ihn gehen lassen; er hatte ihm die kalte Schulter gezeigt. Und nun hatte er ihn wahrscheinlich in den Tod geschickt.
    »Verzweifle nicht, Henry«, hörte er Burrards raue Stimme. »Morgen früh sind sie gewiss zurück.«
    Es war nicht weiter erstaunlich, dass Burrards Suchtrupp keine Spur von Seagull und seinem Boot hatte entdecken können. Denn als die Männer am späten Nachmittag Keyhaven erreichten, befand Seagull sich mehr als anderthalb Kilometer entfernt am Ende der langen Landzunge, und zwar schon seit einiger Zeit. Allerdings hatte er sich noch nicht auf den Weg nach Keyhaven gemacht, denn er hatte keine große Lust, sich blicken zu lassen.
    Zum Glück waren die Jungen nicht über Bord gegangen, er hatte die Katastrophe gerade noch verhindern können. Als er gesehen hatte, wie sie auf die Bordwand zurutschten, hatte er sofort das Steuer losgelassen, war ihnen nachgesprungen und hatte sie gepackt, während das Boot sich aufbäumte. Fast wären sie alle drei im Wasser gelandet. »Halt ihn fest!«, hatte er Willie zugeschrien, den Griff um Jonathan gelockert und mit der nun freien Hand die Reling umfasst. Hätte Willie sich nicht an seinen Freund geklammert wie eine Klette, der kleine Jonathan wäre gewiss ertrunken.
    Die nächste Viertelstunde war ein

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