Der Wald der Könige
habe?«
»Ja. Ihnen blieb nichts anderes übrig.«
»Gut, dass Sie meiner Meinung sind. Niemand darf ein Wort davon erfahren. Aber daran brauche ich Sie ja nicht zu erinnern.«
»Sie können mir vertrauen.«
»Gut. Dann trennen wir uns jetzt und kehren auf verschiedenen Wegen zurück.«
Ein Abend in Haus Albion. Wie so oft in ihrem jungen Leben saß Fanny im Salon mit zwei alten Leuten zusammen. Hin und wieder züngelte eine Flamme aus dem glühenden Scheitholz im Kamin auf. Die dunkle Eichentäfelung schimmerte sanft im Kerzenschein. Auch wenn Fanny ehrgeizige Pläne hegte, das Haus eines Tages in ein gotisches Schloss zu verwandeln, schien sich das gute, alte Wohnzimmer seit den Tagen von Königin Elisabeth bisher noch nicht verändert zu haben.
Manchmal las Fanny den alten Leuten vor, doch heute waren sie damit zufrieden, schweigend in ihren Sesseln zu sitzen und die Ruhe im Haus zu genießen, die nur gelegentlich vom Ticken der hohen Standuhr in der Vorhalle oder dem Knistern eines brennenden Holzscheites unterbrochen wurde. Endlich ergriff ihr Vater das Wort: »Ich begreife nicht, warum sie den weiten Weg nach Oxford fahren will.«
»Natürlich sollte sie es tun«, meinte Tante Adelaide.
Fanny hielt es für klüger, ein wenig zu warten, bevor sie sich einmischte.
»Wie lange wirst du fortbleiben, Fanny?« Angedeuteter Tadel und tapfer ertragener Abschiedsschmerz.
»Nur sechs Tage, Vater, einschließlich der An- und Abreise.«
»Ausgezeichnet«, meinte Tante Adelaide mit Nachdruck. »Wir werden dich vermissen, aber es ist richtig, dass du deinen Cousin besuchst.«
»Sie will wirklich nach Oxford, obwohl das doch so weit ist.« Das Gespräch drehte sich im Kreis. Ein Holzscheit zerfiel zu Asche.
Francis Albion war achtundachtzig Jahre alt. Es hieß, er sei nur so lange am Leben geblieben, um seine Tochter aufwachsen zu sehen. Außerdem sagten die Leute, er wolle sie vor seinem Tod noch unter die Haube bringen. Aber jede Erwähnung dieses Themas löste bei ihm nur Unbehagen aus.
Eigentlich hatte Francis Albion nicht mehr damit gerechnet, überhaupt noch Vater zu werden. Er war der jüngste Sohn von Peter und Betty Albion und hatte als Anwalt in London, als Makler in Paris und eine Weile sogar als Kaufmann in Amerika gelebt. Sein Einkommen hatte ihm stets ein standesgemäßes Leben ermöglicht, allerdings reichte es nicht, um eine Familie zu gründen. Als er im Alter von vierzig Jahren nach dem Tod seines ältesten Bruders das Gut Albion geerbt hatte, war er ein eingefleischter Junggeselle gewesen, der eigentlich keine Lust verspürte, sich häuslich niederzulassen. Zwanzig Jahre lang hatte seine Schwester Adelaide allein das Gut geleitet, bis Francis endlich zurückgekehrt war, um im New Forest seine Familienpflichten zu erfüllen.
Diese waren nicht sehr anstrengend, und er sorgte dafür, dass sie auch etwas abwarfen. Bald war er Förster eines walks, wie die kleinen Unterabteilungen des New Forest nun hießen. Selbst gemessen an der großzügigen Sichtweise des achtzehnten Jahrhunderts wurde der New Forest sehr nachlässig verwaltet. Vor einigen Jahren hatte die Krone wieder einmal einen Versuch unternommen, Ordnung in die Angelegenheit zu bringen, und eine königliche Kommission eingesetzt. Deren Mitglieder stellten fest, dass der Waldhüter seit achtzehn Jahren keine Bücher mehr führte. Einer der Kommissionäre merkte missbilligend an, er habe bei der Inspektion der Einfriedung in Mr. Albions Bezirk, wo eigentlich die Eichen des Königs hätten wachsen sollen, nicht einen einzigen Baum angetroffen, dafür aber ein großes Kaninchengehege.
Francis Albion versicherte den Herren aus London, er werde etwas dagegen unternehmen, aber zu seiner Schwester sagte er: »Ich habe im letzten Jahr tausend Kaninchen dort gehalten, und im nächsten werden es doppelt so viele.«
Was also hatte Mr. Albion im Alter von fünfundsechzig Jahren dazu getrieben, Miss Totton aus Lymington zu heiraten, die dreißig Jahre jünger war als er?
Einige sagten, es sei Liebe. Andere tuschelten, seine Schwester Adelaide sei an einer schweren Erkältung erkrankt, worauf Albion klar geworden wäre, dass sie möglicherweise nicht ewig für ihn sorgen würde. Doch ganz gleich aus welchen Gründen, Mr. Albion jedenfalls machte Miss Totton einen Heiratsantrag, diese nahm an und zog zu ihm ins Haus Albion.
Dass Miss Totton so lange ledig geblieben war, hatte viele verwundert. Sie war hübsch, gut beleumundet und nicht arm.
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