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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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waren gekommen und auch Mr. Martell, der erst am Nachmittag eingetroffen war. Außerdem Mr. Arthur West, inzwischen bei den Burrards ein gern gesehener Gast.
    Man hatte soeben den ersten Gang aufgetragen, und die Gäste labten sich an Wildbret, Ente, Hasenragout, Fischpastete und weiteren Speisen, als Mr. Martell nach dem ersten Schluck von dem erstklassigen Claret Louisa höflich fragte: »Was gibt es Neues von Ihrer Cousine Miss Albion?«
    Alle am Tisch schwiegen, und Louisa lief feuerrot an. Sir Harry, der am Kopfende der Tafel saß, meinte ruhig: »Wenn Sie sich und Fanny Albion helfen wollen, Louisa, sollten Sie sich eine bessere Antwort einfallen lassen, als nur zu erröten. Denn ich muss Ihnen offen sagen, dass der ganze New Forest über sie tratscht und es sich sogar schon bis nach London herumgesprochen hat.« Er wandte sich an Martell. »Die bedauernswerte junge Dame wird beschuldigt, in einem Laden in Bath ein Stück Spitze gestohlen zu haben, Sir. Dieser Vorwurf ist absurd und absolut unhaltbar. Man hat sie wie eine gewöhnliche Verbrecherin ins Gefängnis gesteckt und will sie vor Gericht stellen. Sehr bald, wie ich glaube. Da es sich nur um ein Missverständnis handeln kann, wird man sie natürlich freisprechen. Ihre Tante ist trotz ihres hohen Alters zu ihr gereist. Ihr Vater wohnt derzeit bei Mr. Gilpin.« Er sah Louisa eindringlich an. »Alle hier an diesem Tisch, Louisa, und auch unsere sämtlichen Freunde stehen hinter Fanny Albion, und wir werden sie bald wieder hier willkommen heißen.« Sein Tonfall war streng.
    »Hört, hört«, sagte Mr. Totton mit Nachdruck.
    »Ich wünschte«, meinte Mr. Martell stirnrunzelnd, »ich könnte ihr irgendwie behilflich sein. Ich kenne einen ausgezeichneten Anwalt in Bath.« Er hielt inne. »Leider fürchte ich, dass ich sie gekränkt habe, obwohl ich nicht weiß, warum.«
    Die Tottons und die Burrards blickten einander fragend an. Mr. Totton wandte ein, ihm sei nichts Derartiges zu Ohren gekommen. Aber Mr. Arthur West beugte sich hilfsbereit vor. »Wenn Sie gestatten, Sir. Ich glaube, ich kann Ihnen den Grund erklären. Gewiss erinnern Sie sich noch an das Bild Ihres Urgroßvaters, das Sie sich in Hale angesehen haben.«
    »Ja und?«
    »Dem Sie so erstaunlich ähneln. Vielleicht sind Sie sich nicht darüber im Klaren, dass der alte Mr. Albion und seine Schwester die Enkel von Alice Lisle sind. In ihren Augen sind Sie ein Penruddock.«
    Diese Worte lösten Entsetzen am Tisch aus. Burrard und die Tottons starrten ihn entgeistert an.
    »Sie sind ein Penruddock?« Über Martell war so viel bekannt – seine beiden Güter, seine Bildung, sein gutes Aussehen und sein Interesse an Kirche und Politik –, dass sich nie jemand nach der Familie seiner Mutter erkundigt hatte.
    »Die Martells und die Penruddocks heiraten schon seit Jahrhunderten ineinander. Meine Mutter war eine Penruddock«, erwiderte Mr. Martell stolz. »Ich wusste nichts von der Verwandtschaft der Albions mit Alice Lisle. Aber Oberst Penruddock hat damals nur eine berüchtigte Querulantin festgenommen. Die Sache ist doch schon längst vergessen.«
    »Nicht im New Forest.« Sir Harry schüttelte den Kopf. »Zumindest die Albions lehnen sie strikt ab.«
    »Ich verstehe.« Martell verstummte. Er erinnerte sich daran, wie Fanny ihn auf Mrs. Grockletons Ball ausgefragt hatte, und auch an ihre plötzliche Kühle.
    »Besonders die alte Miss Albion«, erklärte Mr. Totton, »vertritt in dieser Sache eine unnachgiebige Haltung. Ihre Mutter hat sie gewissermaßen in Alice Lisles Schatten erzogen. Alice war eine geborene Albion, und Haus Albion war ihre wahre Heimat.«
    Martell nickte langsam. Lebhaft stand ihm wieder der Eindruck vor Augen, den er bei seinem ersten Besuch in dem dunklen, alten Haus von Fanny gehabt hatte. Offenbar hatte er sich nicht getäuscht. Fanny war eine tragische Gestalt. Sie war mit zwei alten Leuten in einem Haus voller Erinnerungen und geisterhafter Schatten gefangen. Aber er wusste nun noch etwas: Ganz sicher hatte er mit seiner Annahme Recht gehabt, dass sie etwas für ihn empfand. Nur weil er ein Penruddock war, ging sie ihm nun aus dem Weg und wies ihn zurück.
    Der Schatten von Alice Lisle steht zwischen uns, dachte er. Verdammtes Weib. Es war Wahnsinn. Und als ihm einfiel, in welcher schrecklichen Lage sich Fanny befand, wurde er von Mitleid ergriffen. Wie mochte sie sich fühlen, allein und im Gefängnis? »Es tut mir Leid zu hören, in welchen Schwierigkeiten sie steckt«, meinte

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