Der Wald der Könige
Versöhnung flehte. Doch Minimus fehlte das Talent für diese Sorte von Briefen, was Mrs. Albion nicht davon abhielt, ihn in der Kirche von Lyndhurst darum zu bitten.
Den Großteil des Schreibens diktierte sie ihm, und sie strich seine spöttischen Seitenbemerkungen und seine Andeutung, er habe viel zu Beatrices Bildung beigetragen. Beim Schreiben sah sie ihm über die Schulter und entriss ihm den Brief, bevor er noch etwas hinzufügen konnte.
Zu ihrem Erstaunen ging ihr Plan tatsächlich auf. Der Oberst war zwar brummig, doch nachdem sie ihn selbst auf einige respektvolle Passagen – auf die sie besonders stolz war – hingewiesen hatte, erklärte er sich mürrisch damit einverstanden, Beatrice und den Künstler zum Essen einzuladen.
Die Mahlzeit verlief in erstaunlich entspannter Stimmung. Nichts schweißt Menschen enger zusammen als Missgeschicke, und zufällig war an diesem Tag die schlechte Nachricht eingetroffen, das Oberhaus habe über den Antrag entschieden. Nicht ganz unvernünftig hatten die hohen Herren beschlossen, dass es langfristig das Beste sei, den New Forest aufzuteilen, da die unvereinbaren Vorstellungen der Waldbehörde und der Landbesitzer nicht unter einen Hut zu bringen seien. Allerdings stimmten sie zu, dass den Bewohnern des New Forest eine gerechte Behandlung gebührte und dass es Cumberbatch und seinen Leuten nicht gestattet sein dürfe, das beste Land an sich zu reißen.
»Doch in der Praxis wird es genau so kommen«, meinte Albion bedrückt. »Bestimmt wird nicht einmal Pride verschont bleiben.«
»Wenn ich es richtig verstehe«, wandte Minimus, der sich von seiner Schokoladenseite zeigen wollte, respektvoll ein, »ist der Bericht dieser Kommission nicht bindend.«
»Das stimmt. Es handelt sich nur um eine Empfehlung, die jedoch großen Einfluss haben wird«, erklärte Albion.
»Möglicherweise findet die Regierung erst in einem oder zwei Jahren die Zeit, die Situation im New Forest gesetzlich zu regeln. Und dann wird sie ganz sicher dem Rat der Kommission folgen.«
»In diesem Fall müssen wir uns weiter wehren«, sagte Minimus.
Das brachte ihm ein Lächeln von Mrs. Albion und ein beifälliges Brummen des Oberst ein. Aber Minimus hatte noch mehr auf Lager.
»Ich kann mich nicht damit abfinden«, fuhr er fort, »dass wir uns von Leuten einschüchtern lassen sollen, die in Moorbecken treten.« Er schilderte ihnen Grockletons jüngstes Missgeschick.
Der Oberst war sehr amüsiert. »Soll das heißen, er ist einfach hineinmarschiert?«, fragte er ungläubig.
»Ich schwöre«, erwiderte Minimus schmunzelnd, »dass ich mich vorbildlich benommen habe. Ich habe ihn gewarnt und ihm gesagt, es handle sich um ein Moor. Doch er wollte nicht auf mich hören. Er ist weitergegangen und bis zu den Achseln darin versunken.«
Danach herrschte am Tisch gelöste Stimmung. Und Oberst Albion war guter Laune, als er Minimus nach dem Portwein auf ein Gespräch unter vier Augen in sein Büro bat.
Dieses Büro verriet viel über seinen Besitzer – und auch über die Zustände in New Forest. In den Regalen waren die üblichen Werke zum Thema Ahnenforschung und Geschichte der Grafschaft aufgereiht, auf die sich die Welt des Landadels gründete. Außerdem fanden sich dort die gebundenen Parlamentsberichte zum New Forest aus dem achtzehnten Jahrhundert. Ein Regal enthielt auf Pergament festgehaltene Inventarlisten des Gutes Albion und einige Bände mit Gerichtsprotokollen, die sich der Hausherr vor zehn Jahren in Lyndhurst ausgeliehen und nie zurückgegeben hatte. Mr. Albion besaß auch einige literarische Werke. Neben Mr. Gilpins Arbeiten – die der Oberst weniger wegen ihrer stilistischen Eleganz aufbewahrte, sondern weil sie aus der Feder eines Nachbarn stammten – waren einige Romane von Jane Austen aufgereiht. Außerdem hatte ihm ein Verwandter, der Besitzer des Gutes Arnewood, wo die Geschichte spielte, eine Ausgabe von Marryatts Kinder des Waldes geschenkt. Die zahlreichen fachlichen Fehler hatte der Oberst ordentlich unterstrichen und mit Randbemerkungen versehen.
Neben der Tür hing der leuchtend rote Jagdrock des Oberst. Und auf einem Tisch lag eine Schatulle mit zwei Pistolen. Albion bevorzugte die Vogeljagd in den Marschen an der Küste des Solent.
Es mochte seltsam erscheinen, dass Albion diese Gegenstände, die eigentlich ins Ankleidezimmer und in die Waffenkammer gehörten, in dem Raum aufbewahrte, welcher der Verwaltungsarbeit diente. Doch vermutlich hatte seine Frau mit der
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