Der Wald der Könige
Einschätzung Recht, dass sie ihn durch die Verheißung zukünftiger Freuden trösteten, während er sich mit dem verhassten Papierkram beschäftigte.
Während Albion sich an einigen Papieren auf dem Schreibtisch zu schaffen machte, entdeckte Minimus auf einem Ledersessel das Jagdbuch, in dem der Oberst seine Abschüsse festhielt, und er fing an, darin herumzublättern.
Minimus hatte nur ein Schlückchen Portwein getrunken – gerade genug, um sein freundschaftliches Verhältnis zu Oberst Albion zu überschätzen.
»Ach, du meine Güte!«, rief er aus.
»Was ist?« Der Oberst hob den Kopf.
»Ich habe mir nur angesehen, was Sie schon alles erlegt haben. Kaum zu fassen.« Der Oberst hatte tatsächlich eine Menge von Abschüssen zu verbuchen, auf die jeder Sportsmann seiner Zeit stolz gewesen wäre. Zu seiner Strecke des vergangenen Jahres gehörten außer Gänsen, Enten, Pfeifenten und Kiebitzen ein wilder Schwan, sechs Moorhühner, vier Brachvögel und ein Austernfischer.
»Ein wahres Gemetzel«, fuhr Minimus fort. »Wenn Sie noch ein paar Jahre so weitermachen, sind die Wildvögel bald ausgerottet. Wissen Sie, wie viele Austernfischer es auf den Britischen Inseln noch gibt?«
»Nein«, erwiderte der Oberst. »Das weiß ich nicht.«
»Ich auch nicht, aber viele sind es sicher nicht mehr.« Minimus seufzte. »Man muss Ihnen das Handwerk legen«, sagte er dann scherzhaft.
»Offenbar sind Sie kein Sportsmann«, erwiderte der Oberst zähneknirschend.
»Nein, eher ein Naturforscher«, entgegnete Minimus. »Apropos.« Er drehte sich zu Albion um. »Gestatten Sie mir, etwas zur Rettung des New Forest anzumerken, da wir uns ja nun besser verstehen?«
Der Oberst nickte.
»Ich finde, Sie gehen die Sache grundfalsch an«, meinte Minimus keck. »Wenn Sie die Regierung beeinflussen wollen, müssen Sie die öffentliche Meinung auf Ihre Seite bringen. Das ist der Schlüssel.«
»Öffentliche Meinung?« Wie bei vielen seiner Standesgenossen schwankten Oberst Albions politische Ansichten stärker, als ihm selbst bewusst war. Wenn ein Bauer wie Pride in Schwierigkeiten steckte, stellte Albion sich hinter den Mann. Wurde jedoch in der Zeitung über einen ähnlichen Zwischenfall berichtet und das Anliegen des Bauern in einen allgemeinen Begriff gefasst, klang das für Albion nach Revolution, und er witterte sofort Unheil.
»Genau. Was weiß denn die Öffentlichkeit über den New Forest? Nur das, was sie vom Zug aus sehen kann. Seine Schönheit, seine Wildheit, die unberührte Natur. Die Leute verstehen nicht, was es für Pride bedeutet, dass er seine Kühe grasen lassen kann, obwohl sie den Anblick gewiss romantisch finden. Doch wenn Sie ihnen erklären, dass Pride und das Erbe, das er verkörpert, für immer verschwinden werden, begreifen sie es sicher. Denn der New Forest gehört ihnen. Der New Forest gehört der Öffentlichkeit.«
Der Beginn dieser Ansprache hatte einen Funken Neugier in Albion erweckt, die jedoch durch die Schlussbemerkung im Keim erstickt wurde. »Nein, er gehört nicht der Öffentlichkeit!« Finster sah er Minimus an und hatte Mühe, sich zu beherrschen. »Um genau zu sein, gehört er der Krone und den Grundbesitzern.«
»Aber die Öffentlichkeit kommt hier her. Nicht nur die Gentlemen, die mit dem Zug zur Jagd fahren. Auch die einfachen Leute reisen immer mehr herum. Kaufleute aus Southampton und London, sogar Arbeiter, Handwerker und ihre Familien unternehmen Tagesausflüge in den New Forest.«
Auch Oberst Albion waren die Ausflügler schon aufgefallen, die am Bahnhof von Brockenhurst aus dem Zug stiegen, über die Balmer Lawn schlenderten und auf den in ihrem Kiesbett dahinfließenden Bächen zum Rudern gingen. Er hatte Verständnis dafür, dass die Kinder aus den grauen Straßenschluchten Londons wie ihre Altersgenossen aus dem New Forest im Wasser spielen wollten. Solange es nicht zu viele waren, konnten sie keinen Schaden anrichten.
»Und diese Leute verkörpern die öffentliche Meinung?«, brummte er zweifelnd.
»Viele von ihnen haben das Wahlrecht. Und wie sie sich entscheiden, hängt von den Meinungsführern ab.«
Albion war überzeugt, dass er hier im New Forest durchaus die Rolle eines Meinungsführers innehatte. Doch er glaubte, dass Furzey auf etwas anderes hinauswollte. »Und wer sind diese Meinungsführer?«, fragte er mit finsterer Miene.
»Schriftsteller, Künstler, Vortragsreisende, Wissenschaftler«, erwiderte Minimus. »Leute, die Artikel für Zeitungen schreiben.«
»Leute
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