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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ehrliche Antwort geben zu können. Wie gerne hätte sie gesagt: »Ihr trauert um eine Frau, die Eurer nicht würdig ist.« Oh, mein Gott, dachte sie, wenn ich an Lady Mauds Stelle wäre, ich würde Euch lieben. Ich würde Euch ehren. Am liebsten hätte sie es herausgeschrien. »Wenn Sie Hilfe brauchen, können Sie sich jederzeit an mich wenden«, erwiderte sie stattdessen.
    »Habt Dank.« Er lächelte, neigte respektvoll den Kopf, wandte sich ab und schritt zielstrebig auf die Reiter zu.
    In den folgenden Tagen sah sie ihn nicht mehr. Der jüdische Arzt brach mit ihm auf und kehrte eine Woche später zurück. Adela erfuhr, dass er bis Ostern in Winchester bleiben musste, weil der König erwartet wurde. Sie zog Erkundigungen ein und hörte, dass Lady Maud noch lebte. Wie durch ein Wunder hatte sie bis jetzt auch ihr Kind nicht verloren. Allerdings konnte der Jude für nichts garantieren.
    Weitere Tage verstrichen. Es wurde ein wenig wärmer. Adela überlegte.
    Dann, eines frühen Morgens, hinterlegte sie für ihre Gastgeberin eine Nachricht und verließ Winchester allein zu Pferde. In ihrem Brief, den sie absichtlich vage gehalten hatte, bat sie ihre Freundin um Stillschweigen und versprach, am nächsten Tag bei Sonnenuntergang zurück zu sein. Ihr Ziel nannte sie nicht.
     
     
    Es war Godwin Pride deutlich anzusehen, wie zufrieden er mit sich war. Er stand, ein Seil in der Hand, vor seiner Kate. Am anderen Ende des Seils war eine braune Kuh festgebunden. Seine Frau und drei seiner Kinder betrachteten das Tier.
    Godwin Pride hatte den Winter gut überstanden. Als der Herbst sich dem Ende zuneigte, hatte er den Großteil seiner mit Eicheln gemästeten Schweine geschlachtet und das Fleisch eingepökelt. Seine Hühner legten Eier, seine wenigen Kühe gaben Milch, und die Vorräte an eingeweckten Äpfeln und getrocknetem Gemüse waren reichlich. Und da er über Turbary, das Recht zum Torfstechen, verfügte, hatte er auch genügend Brennmaterial.
    Also hatte er es sich in seiner warmen Hütte gemütlich gemacht, seine kleine Herde gefüttert, und war bei Frühlingsanfang wieder frohgemut vor die Tür getreten.
    Außerdem hatte er eine neue Kuh gekauft. »Sie war sehr preiswert«, verkündete er. Er hatte sie zu Fuß von Brockenhurst hierher geführt.
    »Oh? Wie viel hat sie denn gekostet?«, fragte seine Frau.
    »Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Sie war billig.«
    »Wir brauchen keine neue Kuh.«
    »Sie ist eine gute Milchkuh.«
    »Und ich bin diejenige, die sich um sie kümmern muss. Woher hast du überhaupt das Geld?«
    »Das ist nicht deine Sache.«
    Sie blickte ihn argwöhnisch an, während die Kinder sie schweigend beobachteten.
    »Und wo sollen wir sie im Winter unterbringen?« Wollte ihr Mann etwa noch einen Kuhstall bauen? Denn in dem alten war beim besten Willen kein Platz mehr für ein weiteres Tier. Und den Pferch zu vergrößern, nachdem er erst im letzten Jahr dabei ertappt worden war, kam eindeutig nicht in Frage. »Der Pferch bleibt, wie er ist«, sagte sie gebieterisch.
    »Keine Sorge. Ich habe schon einen Plan und mir alles gut überlegt.« Und obwohl er sich danach nichts mehr entlocken ließ, sah er so zufrieden aus wie schon lange nicht mehr.
    Dass er die Kuh einer plötzlichen Eingebung folgend gekauft hatte, dass es gar keinen Plan gab und dass er beim besten Willen nicht wusste, wo er die Kuh im nächsten Winter unterstellen sollte, bedrückte ihn nicht weiter. Vor ihm lagen ja noch ein langer Frühling und Sommer, in denen die Kühe im Wald umherliefen und er sich darüber Gedanken machen konnte. Manchmal konnte Godwin Pride wie ein kleiner Junge sein, worüber sich seine Frau durchaus im Klaren war. Aber sie hatte keine Gelegenheit zum Widerspruch mehr.
    Denn ausgerechnet in diesem Augenblick erschien Adela und kam, ihr Pferd am Zügel, näher.
    »Was zum Teufel will sie nur von uns!«, rief Godwin Pride aus.
    Am späten Nachmittag stiegen zwei Menschen von der Hochebene von Wilverley Plain hinab – einer großen, ebenen Heide mit einem Durchmesser von fast vier Kilometern, wo die Wildponys unter einem blauen Himmel grasten. Adela führte ihr Pferd am Zügel. Godwin Pride ritt auf einem kräftigen Pony voran. Er ärgerte sich, weil er sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte.
    Der Himmel hatte aufgeklart, und der Mond ging auf. Ein Hauch von Frühlingswärme lag in der Luft. Adela war froh, wieder im New Forest zu sein, auch wenn sie sich ein wenig vor dem fürchtete, was ihr

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