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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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bevorstand.
    Sie gingen nach Westen und entfernten sich über die Heide von Wilverley immer weiter von der Mitte des New Forest. Inzwischen befanden sie sich etwa zwölf Kilometer westlich von Brockenhurst. Vor ihnen erstreckte sich ein Eichenwald. Geradeaus führte der Weg in eine große Bodensenke, wo das düstere kleine Dorf Burley lag. Doch sie wandten sich nach rechts und marschierten durch einen Wald und dann einen Abhang hinunter, der Burley Rocks hieß. Nachdem sie eine einsame Sumpfwiese überquert hatten, stießen sie auf einen schmalen Pfad, der am Rande eines Moores entlangführte. »Das da rechts ist Burley Moor«, erklärte Pride. »Vor uns seht Ihr White Moor. Und da drüben« – er wies auf einen Hügel, auf dem ein einzelner Baum stand, dessen Äste wirkten, als rudere er wild mit den Armen – »ist Black Hill.« Plötzlich führte der Weg links hinunter zu einem rasch dahinfließenden Bach, der eine scharfe Kurve beschrieb, welche an den angewinkelten Ellenbogen eines Menschen erinnerte. »Narrow Water«, verkündete Pride. Zu ihrer Rechten befand sich ein Sumpfland, bewachsen mit verkrüppelten Eichen, Stechpalmen, Birken und einem Gewirr aus Baumschösslingen und Gestrüpp. Und gleich dahinter standen eine planlose Ansammlung von Hütten und ein Lehmhaus mit einem Dach aus Ästen, Zweigen und Moos. Rauchschwaden quollen daraus hervor.
    Sie waren bei Puckles Behausung angekommen.
    Zuerst hatte Pride sich geweigert, Adela dorthin zu begleiten, doch sie hatte sich nicht davon abbringen lassen. »Ich weiß nicht, wo er wohnt, und ich möchte keinen Fremden fragen. Niemand soll erfahren, dass ich dort war. Außerdem glaube ich«, fügte sie hinzu und blickte ihn eindringlich an, »dass du mir noch einen Gefallen schuldest.« Der Hirsch. Daran gab es nichts zu rütteln. »Und«, fügte sie leise hinzu, »sie wird vielleicht nicht mit mir sprechen wollen, wenn du sie nicht darum bittest.«
    Genau das war der Grund, warum Pride nur wenig Lust auf diesen Ausflug hatte. Denn Adela wollte nicht zu Puckle, sondern zu seiner Frau – der Hexe.
    Adela wartete am Bach, während Pride zur Hütte ritt und eintrat. Nach einer Weile kamen Puckle und einige Kinder und Enkel heraus und machten sich irgendwo draußen zu schaffen.
    Schließlich erschien Pride wieder. »Sie erwartet Euch«, meinte er knapp. »Am besten geht Ihr gleich zu ihr.« Adela folgte der Aufforderung. Die Tür des Hexenhauses war so niedrig, dass sie sich bücken musste.
    Drinnen war es ziemlich dunkel. Die Hütte hatte nur ein Zimmer und wurde von dem Licht erhellt, das durch die angelehnten Fensterläden hereinfiel. Ein Kreis aus Steinen in der Mitte des Raums, in dem ein kleines Torffeuer brannte, diente als Herd. Vor diesem Feuer saß eine Frau auf einem niedrigen Holzstuhl. Eine graue Katze wärmte sich zu ihren Füßen. Gleich daneben stand ein dreibeiniger Schemel, auf den die Frau wies.
    »Setzt Euch, mein Kind.«
    Obwohl Adela sich eigentlich kein festes Bild von Puckles Frau gemacht hatte, hätte sie sich diese ganz anders vorgestellt. Nachdem sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah sie eine gemütlich wirkende Frau mittleren Alters vor sich, die ein breites Gesicht, eine Stupsnase und weit auseinander stehende graue Augen hatte.
    Sie betrachtete Adela mit verhaltener Neugierde. »Ihr seid eine hübsche junge Dame«, meinte sie dann. »Und Ihr seid den ganzen Weg aus Winchester gekommen?«
    »Ja.«
    »Kaum zu fassen. Und was kann ich für Euch tun?«
    »Ich habe gehört«, platzte Adela heraus, »dass du eine Hexe bist.«
    »Oh?«
    »Das sagen zumindest die Leute.«
    »Ach, tun sie das?« Diese Mitteilung schien die Frau zu belustigen. Allerdings hatte sie keinen Grund zu befürchten, dass diese Beschuldigung für sie Folgen haben könnte. Obwohl die Hexerei von der Kirche nicht eben gebilligt wurde, fand eine Hexenverfolgung im normannischen England kaum statt – insbesondere nicht auf dem flachen Land, wo sich der alte Volksglaube lange hielt. »Und wenn das so wäre?«, fuhr die Frau fort. »Was könnte eine hübsche junge Dame wie Ihr von mir wollen? Ein Heilmittel gegen eine Krankheit? Liebeskummer vielleicht?«
    »Nein.«
    »Möchtet Ihr etwas über Eure Zukunft erfahren? Viele junge Mädchen sind neugierig auf ihre Zukunft.«
    »Nicht ganz.«
    »Was ist es dann, mein Kind?«
    »Ich muss jemanden töten«, erwiderte Adela.
    Eine Weile herrschte Schweigen, bevor die Frau wieder das Wort ergriff. »Ich fürchte,

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