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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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erwiderte er. »Man nannte ihn Througham.« Mit diesen Worten trabte er los.
    Fast eine Stunde lang suchte Adela die östliche Waldgrenze ab, aber sie entdeckte keine Spur von den Jägern. Immer wieder blickte sie zurück zur Heide – vergeblich. Nach einer Weile kam sie zu dem Schluss, dass die Gesellschaft sich gewiss in dem Teil des Waldes aufhielt, den Pride durchkämmte, wenn sie sich überhaupt noch im New Forest befand. Also machte sie sich auf den Rückweg über die Heide, als sie plötzlich in der Ferne etwas Merkwürdiges sah.
    Ein Tier lief in blitzartiger Geschwindigkeit über die Ebene auf die Wälder bei Througham zu. Die goldenen Strahlen der im Westen stehenden Sonne blendeten Adela in den Augen, sodass sie schützend die Hand davor halten musste. Doch selbst durch den rötlichen Schleier sah sie das Tier ganz deutlich, und mit Schrecken stellte sie fest, dass sie es kannte.
    Es war die weißliche Hirschkuh, die wie ein Lichtfunke über die violett schimmernde Heide sauste. Zwei Jäger zu Pferde folgten ihr auf den Fersen. Adela war fast sicher, dass auch zwei Hunde dabei waren. Ein Kitz konnte sie nirgendwo entdecken. War es etwa schon tot? Oder beobachtete es zitternd im Gebüsch, wie seine Mutter von den schrecklichen Jägern gehetzt wurde? Die Hirschkuh war schneller als die Reiter. Es war fast, als flöge sie um ihr Leben, und sie stürmte auf den schützenden Wald und die Marschen zu.
    Ohne nachzudenken, trieb Adela ihr Pony an. Walter hatte sie beinahe vergessen. Sie setzte dem Hirsch nach und winkte den Reitern zu, doch diese schienen sie nicht zu bemerken. Die Hirschkuh hatte die Bäume fast erreicht. Die beiden Jäger rasten im vollen Galopp dahin. So sehr Adela es auch versuchte, es gelang ihr nicht, ihnen den Weg abzuschneiden, und sie lag noch mehrere hundert Meter zurück, als sie der Hirschkuh in den Wald folgten.
    Und plötzlich waren die Jäger wie vom Erdboden verschluckt. Als Adela am Waldesrand ankam, herrschte ringsumher Stille, als wären die Hirschkuh, die Reiter und die Hunde nur Geistererscheinungen gewesen. Sie suchte einen Pfad nach dem anderen, stieß aber nur auf Eichen, Lichtungen und Sumpfwiesen.
    Gerade hatte sie wieder einen neuen Pfad durch den Wald eingeschlagen, der nach Süden führte, als sie auf einmal hörte, dass sich Hufgetrappel näherte, das rasch lauter wurde. Sie hielt inne. War das Pride? Oder ein Mitglied der Jagdgesellschaft? Kurz darauf kam ein Reiter in Sicht. Adela blieb der erleichterte Aufschrei im Halse stecken.
    Denn es war Walter, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt hatte. Er hatte die Augen weit aufgerissen und keuchte, und sein Gesicht schimmerte grünlich, als müsse er sich gleich übergeben. Er war so erschöpft, dass er bei ihrem Anblick kaum Überraschung zeigte. Doch als er sie fast erreicht hatte, schrie er: »Flieh! Flieh um dein Leben!«
    »Dann hast du meine Nachricht also erhalten?«, rief sie. »Wegen des Königs?«
    »Nachricht? Was für eine Nachricht? Der König ist tot.«
     
     
    Hugh de Martell wurde es allmählich zu bunt. Nachdem er die Aussicht über den New Forest genossen hatte, war er wieder zum Castle Hill zurückgekehrt und hatte sich eine Weile in der Nachmittagssonne ausgeruht – vielleicht eine falsche Entscheidung. Möglicherweise wäre er sogar noch ein wenig länger dort geblieben, hätte er nicht einen Reiter bemerkt, der sich von Norden, von Ringwood her, näherte. Er erkannte Edgar.
    Martell stieß einen leisen Fluch aus. Auch wenn der junge Mann ihm sicher beantworten konnte, wo Adela steckte, war er der Letzte, den er danach fragen wollte. Außerdem bestand durchaus die Möglichkeit, dass Cola und seine Familie von dem Stelldichein erfahren und Adela verboten hatten, sich mit ihm zu treffen. In diesem Fall war Edgar womöglich auf dem Weg nach Castle Hill, um ihn zu suchen, und er hatte nicht die geringste Lust auf eine Begegnung.
    Am Fuße des Hügels führte ein Weg nach Westen über die Heide zu einer bewaldeten kleinen Anhöhe, die Crow Hill hieß. Von dort aus ging es steil bergab ins Avontal. Bis zum schützenden Crow Hill waren es nur knapp anderthalb Kilometer, auf Martells schnellem Pferd ein Katzensprung.
    Er ließ das Pferd auf dem torfigen, festen Untergrund traben. Im Westen ging die Sonne über dem Avontal unter und tauchte die Landschaft in ein rosiges und goldenes Licht. Zu beiden Seiten des Weges schimmerte das Heidekraut wie ein violetter See.
    Der Anblick war so zauberhaft, dass Martell

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