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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wider Willen vor Freude fast laut aufgelacht hätte.
    Er hatte bereits ein Drittel der Strecke zurückgelegt, als er zu seinem Ärger feststellte, dass Edgar quer über die kleine Heide ritt. Offenbar wollte ihm dieser lästige junge Bursche den Weg abschneiden. Martell schmunzelte. Da war der Angelsachse aber an den Falschen geraten. Sein prachtvoller Hengst stürmte voran. Martell schätzte die verbleibende Entfernung ab und berechnete die Zeit.
    Als er die Hälfte des Weges hinter sich hatte, begann er zu galoppieren. Ein Blick nach rechts sagte ihm, dass Edgar seinem Beispiel folgte. Martell kicherte. Der junge Angelsachse hatte keine Chance. Mit trommelnden Hufen überwand der Hengst Meter um Meter, sodass die weißen Kieselsteine auf dem Pfad Funken sprühten.
    Aber zu seiner Überraschung konnte Edgar mithalten. Er würde mit ihm zusammentreffen, bevor er den Wald erreichte. Zu seiner Linken ragte jedoch ein kleines Waldstück in die Heide hinaus. Davor stand, wie ein Wegweiser, eine einsame Esche.
    Mit einer ruckartigen Bewegung warf Martell sein Pferd nach links herum. Der Hengst pflügte durchs Heidekraut. Im nächsten Moment bemerkte Martell einen Holzhaufen, den irgendein Schwachkopf dort aufgeschichtet haben musste. Fast war er an der Esche angekommen, die ihn vor den Blicken des vermaledeiten Angelsachsen schützen würde. Martell spornte sein Pferd an, vergaß jedoch dabei, dass der Waldboden nicht so fest war wie die Kreidefelsen rings um sein Gut. Von einem Augenblick auf den nächsten sackte sein riesiger Hengst mit den Vorderbeinen in der trügerisch weichen Erde ein und blieb in einem verborgenen Schlammloch stecken, sodass Martell kopfüber auf den Holzhaufen geschleudert wurde.
     
     
    »Was ist geschehen?«, fragte Adela. Noch nie hatte sie Walter so fassungslos gesehen.
    Er schien durch sie hindurchzublicken. »Es war ein Unfall.«
    »Was? Wie?«
    »Ein Unfall.« Er starrte geradeaus.
    Sie musterte ihn forschend. Hatte das Unglück ihn so sehr mitgenommen? War er selbst Augenzeuge des Ereignisses geworden, oder hatte er nur durch andere davon gehört? Inzwischen trabten sie Seite an Seite zur Heide.
    »Wo willst du hin?«, erkundigte sie sich.
    »Nach Westen. Ich muss nach Westen. Weg von Winchester. Ich muss irgendwo weiter unten an der Küste ein Boot finden.«
    »Ein Boot?«
    »Begreifst du denn nicht? Ich muss fort und aus dem Königreich fliehen. Ich wünschte bei Gott, ich würde den Weg durch diesen verfluchten Wald kennen.«
    »Ich kenne ihn«, erwiderte sie. »Ich werde dich führen.«
    Die Zeit verging erstaunlich schnell. Aber vermutlich lag das daran, dass sie nun nicht mehr ziellos herumirrte, sondern auf ein Ziel zusteuerte, von dem sie wusste, wo es sich befand: die kleine, verlassene Furt unweit von Prides einzigem Weiler. Die Heide war menschenleer, sie begegneten niemandem und wechselten kein Wort miteinander. Sogar um Prides Weiler machten sie einen Bogen und stießen schließlich auf den langen Pfad, der sich zur Furt schlängelte. Unterhalb von Brockenhurst überquerte er den Fluss und endete im hügeligen Heideland des westlichen New Forest.
    »Willst du versuchen, dir in der Nähe von Christchurch ein Boot zu beschaffen?«, fragte sie ihn.
    »Nein, das wäre zu nah. Möglicherweise bin ich gezwungen, ein oder zwei Tage zu warten, und inzwischen« – er seufzte – »könnte ich verhaftet werden. Weiter im Westen scheint es mir sicherer zu sein.«
    »Dann musst du über den Avon. Ich kenne das Avontal recht gut. Etwa auf halbem Wege zwischen Christchurch und Ringwood gibt es eine Viehfurt. Danach reitest du einfach über die Wiesen, und dann kommt nur noch eine große Heide.«
    »Gut, ich nehme diesen Weg«, erwiderte Tyrrell.
    Im Westen ging die Sonne unter wie ein gewaltiger roter Ball. Hie und da ragte ein einsamer Baum wie eine seltsame bläuliche Blume vor dem roten Himmel auf, als wollte er, einem ausgestreckten Zeigefinger gleich, die Reiter mahnen. Sie mussten ihre Pferde am Zügel führen. Abgesehen von ein paar Wildponys und Rindern begegneten sie niemandem.
    Inzwischen hatte Tyrrell sich offenbar ein wenig gefasst.
    »Du sagtest, du hättest mich gesucht, um mir eine Nachricht zu überbringen«, meinte er. »Worum ging es denn?«
    Sie erzählte ihm die ganze Geschichte und berichtete von Colas Verhalten und davon, dass sie ihn mit Prides Hilfe gesucht hatte.
    Aufmerksam hörte er zu und schwieg eine Weile. »Ist dir klar, dass du für mich dein Leben aufs

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