Der Wald des Vergessens
Stimmt’s?«
Um seine Lippen spielte der entfernte Vetter eines Lächelns, also sagte sie: »›Ekelpaket‹, Sir. Er sagte ›fettes Ekelpaket‹. Und ich habe gesagt, davon sei mir nichts bekannt, aber wenn er Lust hätte, Sie persönlich zu fragen, mit eben den Worten natürlich, wäre ich gern bereit, ihn wieder mit nach oben zu nehmen. Er hat das Angebot abgelehnt.«
»Ganz hirntot ist er also doch noch nicht«, sagte Dalziel. »Wie kam er dir vor? Ich meine, in was für einer Gemütsverfassung war er, als er die Fragen stellte?«
Sie dachte eine Weile nach, dann sagte sie: »Aufgewühlt. Vielleicht hatte er sogar Bammel. Mit Sicherheit war er sehr aus dem Gleichgewicht.«
»Und hat er nach Cap Marvell gefragt, der anderen Frau auf dem Video?«
»Nein. Nur nach Wendy Walker.«
»Gut. Danke, Mädel.«
Sie stand auf, um zu gehen, und fühlte sich vor Erleichterung geradezu absurd schwach auf den Beinen. Da sagte er: »Hast du schon mit Sergeant Wield gesprochen?«
»Heute morgen? Nur als er mir sagte, daß Sie mich sehen wollten, Sir …«
»Das weiß ich selbst. Ich meine, was du ihm gestern abend sagen wolltest, was immer das war, hast du heute morgen Zeit dazu gehabt?«
Wie schon viele Beamte bei der Kripo vor ihr, fing sie an zu überlegen, in welchem Teil ihres Körpers er seine Wanze deponiert hatte.
»Oh, diese Sache. Das war eigentlich nichts …«
»In diesem Dezernat, Mädel, ist nichts nichts, es sei denn, ich sage, es ist nichts. Dann sag es also mir.«
Und so sagte sie es ihm.
Pascoe, der mittlerweile die Erfahrung gemacht hatte, daß Mrs. Howard zu verstehen ähnlich schwierig war, wie eine klare Antwort von einem Minister zu bekommen, brach die charmante Tour ab und versuchte es mit der Knüppelmethode eines tagespolitischen Interviewers.
»Ist es schon früher mal vorgekommen, daß er die ganze Nacht nicht heimgekommen ist?«
»Ja, manchmal, wenn er Nachtschicht hatte und …«
»Von Nachtschichten rede ich nicht«, herrschte er sie an. »Wir sprechen hier nicht über Nachtschichten, Mrs. Howard, und das wissen Sie sehr wohl. So, und nun beantworten Sie bitte meine Frage. Ist er schon früher die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen?«
»Ja. Ein paarmal, aber ich habe ihm …«
»Es interessiert mich nicht, was Sie mit ihm angestellt haben. Warum ist er bei diesen Gelegenheiten weggeblieben? Wegen einer anderen?«
»Nein! Wenn Sie sich einbilden, daß ich mir das bieten lassen würde …«
»Was war es
dann,
Mrs. Howard? Was haben Sie sich bieten lassen?«
»Normalerweise hat er Karten gespielt. Und getrunken. Er ließ sich auf ein Spiel ein, dann hat er getrunken, und dann kam er für gewöhnlich am nächsten Tag nach Hause, völlig pleite, und konnte sich kaum auf den Beinen halten.«
»So könnte er also auch die vergangene Nacht verbracht haben?«
»Nachdem Sie ihn hier die ganze vorherige Nacht eingesperrt haben? Nein, alles, was Jimmy da gewollt hat, ist, nach Hause zu gehen und den Gestank der Zelle abzuwaschen, bevor er wieder aus dem Haus ist.«
»Soll das heißen, daß er noch nicht einmal irgendwo kurz reingeschaut hätte?«
»Das vielleicht. Aber mehr nicht. Jimmy hat das so an sich, er kann es einfach nicht ertragen, sich schmutzig zu fühlen. Er duscht immer gleich, wenn er von der Arbeit kommt. Sowohl von der Polizei als auch in dem neuen Job.«
Sauberkeit, wenn schon nicht Gottesfürchtigkeit, trieb ihn nach Hause, dachte Pascoe.
Er fragte: »Ihm gefällt sein neuer Job, ja?«
»Es geht. Besser als nichts. Und mir kommt er auch nicht in die Quere.«
Was gab es abgesehen von der Dusche wohl noch, das Howard nach Hause lockte? dachte Pascoe und musterte die breite, hagere Frau mit dem grollenden Blick.
Er sagte: »Machen Sie sich keine allzu großen Sorgen, Mrs. Howard –«
»Sie brauchen mir nicht zu sagen, was ich mir für Sorgen machen soll«, fiel sie ihm ins Wort. »Früher hab ich mich mit so herablassenden Schnöseln wie Ihnen abfinden müssen, wegen Jimmy, aber wenigstens das haben wir jetzt hinter uns. Alles, was ich von Ihnen wissen will, ist, was hier gespielt wird.«
»Wieso, nichts«, sagte er. »Sie sind zu uns gekommen, falls Sie sich erinnern, und haben sich nach Ihrem Mann erkundigt …«
»Wenn Sie wirklich davon ausgehen würden, daß er nur einen über den Durst getrunken hat, dann würde ich jetzt nicht hier sitzen und mit einem Chief Inspector sprechen. Ich weiß doch, wie es bei euch zugeht! Und ich weiß auch,
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