Der Wald des Vergessens
dem Drahtschneider nach hinten ausholte, die ruhige Bestimmtheit auf dem stillen, entschlossenen Gesicht. Nicht der Ausdruck einer Frau in mörderischer Rage, erkannte er nun. Vielleicht ein Stoß zwischen Pattens Beine, um den Weg frei zu machen. Ihm ging nun auf, daß er keinen Zweifel mehr daran hatte, daß sie nicht im Begriff stand, kaltblütig und absichtlich den Schädel des Mannes vor ihr einzuschlagen.
Er sollte sie anrufen. Er sollte jetzt aufstehen und sie anrufen und ihr sagen, nein, es gab kein neues Beweismaterial, aber er wußte, daß sie unschuldig war, und selbst wenn sie es nicht wäre, wäre es nicht von Belang …
Shirley Novello fragte beklommen: »Was halten Sie davon, Sir?«
Dalziel sagte: »Spiel’s noch einmal, Mädel.«
Als Wield Wanwood erreichte, war aus dem düsteren Nieselregen in der Stadt ein stürmisches Winterwetter geworden, und der Wind fegte durch die Bäume wie ein Berserker, der es nach der Entblößung seiner Opfer nun darauf abgesehen hat, ihnen ein Glied nach dem anderen auszureißen.
Der Wachmann am Tor sagte: »Sie haben kein Glück, wenn Sie Dr. Batty sprechen wollen. Er ist nicht da.«
»Oh. Alles dicht am Wochenende?«
»Mehr oder weniger. Bis auf ein, zwei Leute, die gewöhnlich kommen. Muß wohl jemand nach den Tieren sehen.«
»Freut mich, das zu hören. Ist Miss Ambler da?«
»Ja, Mr. Patten sagte, es geht in Ordnung.«
Wield dachte über die merkwürdige Formulierung nach, während er zum Haus hinauffuhr. Er parkte vor dem TecSec-Büro neben einem weißen Polo.
»Sie werden wir wohl nie wieder los, was?« sagte Patten, als Wield mit einem Schwall feuchter Kälte eintrat. »Worum geht es heute? Niemand hier, außer uns.«
»Ich dachte, Jane Ambler ist hier?«
»Stimmt. Da ist sie. Wenn Sie hinter ihr her sind, es dauert nicht lang.«
Er drehte seinen Stuhl, um sich der Monitorreihe zuzuwenden, und deutete auf einen. Wield sah Jane Ambler in einem Raum, der wie eine Garderobe aussah. Sie holte Sachen aus einem Schließfach und legte sie in eine Sporttasche. Neben ihr stand ein Wachmann von TecSec.
»Was spielt sich da ab?« fragte Wield.
Patten drehte sich wieder zurück, um ihn anzusehen.
»Was? Das wissen Sie nicht?«
»Wissen was nicht?«
»Sie ist geflogen!«
»Was? Aber Sie haben doch gesagt, daß sie und Batty …«
Über Pattens Schulter sah er Ambler die Tür zu einem Raum öffnen, der wie ein Lager aussah. Der Wachmann schien sie zu fragen, was sie darin verloren habe. Sie schien ihn zu drängen, hineinzugehen und selbst nachzusehen.
»… ein Ding am Laufen hatten? Ja, aber für den geilen Doktor war’s das auch schon, ein Ding. Er hält sich nicht gerade zurück mit seinem Ding. Es hat natürlich bedeutet, daß sie ihm daheim hätte Ärger machen können, wenn sie die Neigung verspürt hätte, aber nun nicht mehr, nicht mehr seit vorgestern abend.«
Der Wachmann stand auf der Schwelle des Lagerraums. Jane Ambler versetzte ihm einen heftigen Stoß, warf die Tür hinter ihm zu und drehte den Schlüssel um.
Wield sagte: »Was ist denn vorgestern abend passiert?«
Patten grinste, er kam eindeutig auf seine Kosten.
»Sieht danach aus, als sei das Dokterchen nach Hause gekommen und hätte seine Kleider in einem Haufen Mülltüten auf dem Rasen vorgefunden, und alle Schlösser waren ausgewechselt. Seine Frau war ihm endlich doch auf die Schliche gekommen, hatte den armen Teufel an die Luft gesetzt und nach Hause zu Mami und Papi geschickt.«
Ambler hatte das Zimmer verlassen und war von dem einen Bildschirm verschwunden, ohne auf einem anderen aufzutauchen. Die Korridore waren anscheinend nicht an das Überwachungssystem angeschlossen. Patten sah sich um, als habe ihn Wields wandernder Blick alarmiert.
»Ist sie fertig? Gut. Sie kommt hierher zurück, und dann können Sie mit ihr plaudern.«
»Es kam mir gestern schon so vor, als wäre Batty in einer komischen Stimmung«, sagte Wield. »Aber als wir beide uns unterhalten haben, wußten Sie noch nichts von seiner häuslichen Entwicklung, oder?«
»Nein. Es hat mir einen richtigen Schlag versetzt, als er etwa eine Stunde, nachdem Sie uns verlassen haben, anrief und sagte, er habe gerade die Ambler angerufen und sie entlassen, ich soll doch ihre Zutrittsberechtigung löschen.«
»Aber sie ist doch hier«, warf Wield ein. Und mit Sicherheit nicht, wo sie sich aufhalten durfte. Sie war auf dem Bildschirm erschienen, der den Raum zeigte, den er für Battys Büro hielt, und nun
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