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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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daß Steve und Jammy tot waren. Also will ich ihm auch glauben. Und er hat mir geradewegs in die Augen geblickt und gesagt, wie froh er ist, daß er sich bei Steve getäuscht hat. Und wie traurig er über Jammy ist. Und dann hat er gesagt, ich soll einen weiteren Streifen annähen, weil er vorschlagen würde, mich an Jammys Stelle zum Feldwebel zu machen.
    Nur einmal verlor ich die Beherrschung. Während einer Ruhepause sortierte ich die Tagesbefehle mit Gertie, als er sagte: Einen Rat. Halte dich zurück, Geschichten von freundlichen Hunnen zu verbreiten. Der Adjutant muß was gehört haben. Er hat mich heute morgen ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Fraternisieren mit dem Feind vom Stab streng verurteilt wird.
    Ich sagte: Fraternisieren? Die haben uns das verdammte Leben gerettet. Und er sagte: Ganz genau! Und was empfindest du nun bei dem Gedanken, Deutsche zu erschießen? Und ich sagte: Die uns geholfen haben? Wenn ich wüßte, daß die es sind, würde ich nicht schießen. Genaugenommen gibt es eine Menge der Unsrigen im Stab, die ich eher erschießen würde als die Deutschen! Gertie sagte: Herr im Himmel, Peter, paß auf, was du sagst. Du weißt doch, wie die Stimmung im Augenblick ist. Wenn dich jemand wie ein Agitator reden hört, kriegst du gewaltige Schwierigkeiten. Wegen Meuterei. Wir müssen unsere Pflicht tun. Befehle befolgen. Es gibt keinen Ausweg. Siehst du das denn nicht ein?
    Er hat natürlich recht. Und die hohen Tiere haben recht. Und der deutsche Offizier hatte recht. Und ich habe auch recht. Und wenn jeder so verdammt recht hat, warum sind wir dann nicht alle zu Hause und regen uns über den Preis von Eiskrem am Bank Holiday auf, anstatt mitten in diesem stinkenden Morast zu stecken, wo alles so scheißfalsch ist?
    Warum? Warum? Warum?
     
    Der Regen ließ nach, wie er in den ersten Septembertagen vor all den Jahren nachgelassen hatte, und wurde von einem böigen Wind abgelöst, der den Boden austrocknete und somit alle Hoffnung, daß die hohen Tiere die Entscheidung fällen würden, das Spiel sei dem Regen zum Opfer gefallen. Nicht daß jemals große Aussicht bestanden hätte, wenn man an andere Vorstellungen dachte.
    Pascoe sah hinauf in die Bäume, die nun, im November, fast keine Blätter mehr hatten, aber noch immer groß und wohlgeformt waren und in deren geschmeidig schwingenden Ästen das Versprechen des Neubeginns im Frühling schlummerte. Während er sie betrachtete, entriß ihnen sein inneres Auge, Fluch der Einsamkeit, alles, bis sie bloße schwarze, leblose Strünke waren. Durch den Wald Glencorse hinein in den Wald Polygon. Jedes kleine Stück an gewonnenem Terrain brachte nichts weiter als ein paar Meter verheertes Land zwischen dich und was noch an Friedensfarce hinter dir verblieb. Und nach Polygon setzten die winterlichen Regenfälle ein, und es folgten weitere Wochen endlosen Robbens durch gelben Schlamm, hinauf auf die flache Erhebung, auf der das Dorf Passchendaele in Ruinen stand oder vielmehr lag.
    Pascoe zwang sich in die Gegenwart, indem er so lange auf seine Uhr blickte, bis er die Zeit wahrnahm. Was hatte Pottle gesagt? Zwischen vier und fünf?
    Genau das, was ich brauche, dachte Pascoe.
    Wenigstens schien wieder die Sonne. Das Unwetter hatte ihn überholt und zog nach Osten ab. Im Westen versah die sterbende Sonne den Horizont mit einem roten Rand, und der Himmel war klar. Es könnte heute nacht Frost geben, dachte er. Es gab immer etwas, worauf man sich freuen konnte.
    Er ließ den Motor an und machte sich an die Verfolgung der entschwindenden Wolken.

[home]
    Dritter Teil
       
   
POLYGON
I have a garden of my own,
But so with Roses overgrown,
And Lillies, that you would it guess
to be a little Wilderness. [37]
     

Eins
    E dgar Wield blickte auf die Eisblumen seines Küchenfensters, während er darauf wartete, daß der Kessel kochte, und dachte daran, wie sicher er sich vor wenigen Tagen noch gewesen war, daß es einen endlosen, herrlichen Spätsommer geben würde.
    Mit einem Bauern soll man nicht über das Wetter, mit einer Frau nicht über eine Hochzeit und mit einem Bergmann nicht über Grubenhunde wetten. Wo hatte er diese Weisheit nur her? Sie mußte von jemandem stammen, der etwas davon verstand. Es konnte also niemand bei der Kripo gewesen sein.
    Er machte eine für ihn untypische Periode des Selbstzweifels durch, schwankte hin und her zwischen dem Verdacht, daß sein blindes Herumstochern bei TecSec Zeitverschwendung sei, und der

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