Der Wald - ein Nachruf
Größe blitzschnell und effizient. Die geistigen Fähigkeiten werden dadurch so groß, dass Rabenvögel schon als gefiederte Affen bezeichnet werden. Und es ist schier unglaublich, was sich Eichelhäher und ihre Kollegen so alles merken können. Legen sie ihre Winterverstecke an, so ist es wichtig, welche Art der Nahrung verbuddelt wird. Sind es verderbliche Früchte oder Regenwürmer, die zuerst gefressen werden müssen? Oder sind es lange haltbare Nüsse, Bucheckern oder Eicheln, die bis zum nächsten Frühjahr in der Erde bleiben können? Wichtig ist auch, ob beim Vergraben neidische Artgenossen in der Nähe waren. Daher können sich Eichelhäher bei jedem einzelnen Versteck erinnern, ob sie an ihm von ihresgleichen beobachtet wurden. Und da man sich gegenseitig bestiehlt, werden Bestände, die nicht mehr geheim sind, im Notfall erst einmal links liegen gelassen. Denn wenn man Hunger hat, will man nicht lange suchen, um dann womöglich vor einem leeren Loch zu stehen.
Um die Gehirnleistung dieser Vögel zu erahnen, können Sie selbst einmal überlegen, wie viele derartiger Depots Sie sich merken können, und zwar so, dass Sie sie auf Anhieb und bei Schnee zielsicher wiederfinden. Eichelhäher bringen es auf die unglaubliche Zahl von 10 000 Stück. Nicht, dass sie so viele Bucheckern und Eicheln benötigen. In einem normalen Winter brauchen sie rund 1 000 Verstecke, aber im Frühjahr helfen ihnen die Baumfrüchte auch noch bei der Aufzucht ihrer Jungen. Aus den ungenutzten Reserven sprießen neue Bäume, die die Nahrungsgrundlage für kommende Vogelgenerationen darstellen. Und nicht nur aus überschüssigen Vorräten, denn auch bei Vögeln und Eichhörnchen gibt es vergessliche Zeitgenossen. Die Natur bestraft so etwas gnadenlos, sodass in erster Linie Tiere mit Erinnerungsschwäche vom Hungertod betroffen sind. Die Hinterlassenschaften können Sie bei einem Frühjahrsspaziergang durch den Wald entdecken. Denn immer dann, wenn Buchen- oder Eichensämlinge wie ein Strauß Blumen aus dem Boden sprießen, also etliche Keimlinge auf wenigen Zentimetern Fläche stehen, handelt es sich um ein solch ungenutztes Depot.
Für Bäume mit schweren Früchten ist diese Art der Luftpost ein großer Gewinn. Denn die Vögel ermöglichen es ihnen, sich über viele Kilometer in die Landschaft auszubreiten und so neue Lebensräume zu erschließen.
Warum Buchen?
Ohne den Menschen wäre der Großteil Mitteleuropas von Buchen bedeckt. Aber warum sind es keine Eichen, Fichten oder Kiefern, die sich hier durchsetzen würden?
Jede Baumart hat ihre ökologische Nische, in der sie besonders konkurrenzstark ist. Grundsätzlich würde jeder Baum gern auf nährstoffreicher, feuchter Erde wachsen, aber das kann sozusagen jeder. Unterschiede werden dann deutlich, wenn es Abweichungen vom idealen Standort gibt. So kann die Erle auch im Sumpf wachsen, wo wegen des Morasts kaum Sauerstoff an die Wurzeln gelangt. Fichten, Kiefern und Lärchen hingegen sind Kältekünstler. Sie vertragen extreme Minustemperaturen, ganz kurze Sommer und sehr viel Regen, also Bedingungen, wie sie im hohen Norden, etwa Skandinavien oder Sibirien, herrschen. Die Eiche kann Kälte, Hitze und auch Sommertrockenheit gut wegstecken, ein Klima, das man als kontinental bezeichnet.
Und die Buche? Nun, sie mag genau unser mitteleuropäisches Klima, das von eher milden Wintern, kühlen Sommern und ausreichender Feuchtigkeit geprägt ist. Dieses sogenannte atlantisch getönte Klima lässt sie zur Höchstform auflaufen. Aber das ist nicht das ganze Geheimnis ihres Siegeszugs in Mitteleuropa. Noch zwei weitere Eigenschaften verhalfen ihr zum Durchbruch. Da ist zum einen ihre Fähigkeit, auch noch im Schatten anderer Bäume wachsen zu können. So siedelt sie sich beispielsweise unter Eichen an, wächst langsam unter ihnen empor und durchdringt schließlich deren Kronen. Die Eiche als Lichtbaumart, die sehr viel Sonne zum Überleben braucht, wird am Ende von den Buchenblättern beschattet und stirbt ab. Als ob das noch nicht reichte, helfen Buchen auch im Wurzelraum kräftig nach. Sie drängen sich mit ihren Ausläufern in jede noch so kleine Ritze, durchziehen das Wurzelgeflecht der Eichen und nehmen ihnen Nährstoffe und Wasser weg. Das finden Sie nicht nett? Natur ist immer ein Wettkampf und jede Art kämpft um ihren Platz auf diesem Planeten.
Der Mensch ist seit Zehntausenden von Jahren Bestandteil des heimischen Ökosystems und beeinflusst dieses kräftig. Ob unsere
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