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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Zeltklappe hoch. Drinnen war es dunkel wie in einer Höhle. Sie hätte beinahe die Nerven verloren, doch sie atmete tief durch und kroch hinein.
    Plötzlich schrie sie. Zwei Mal. Durchdringende panische Schreie, die ihr in den Ohren wehtaten. ›Nein!‹, kreischte sie. ›Nein! Bitte! NEIN! ‹ Und dann stieß sie ein gequältes, entsetztes Jaulen aus, das ihr die Haare zu Berge stehen ließ.«
    »Was ist passiert?«, flüsterte Benny. »Was war da drin?«
    »Gar nichts«, antwortete Karen. »Sandy wollte den anderen nur einen Streich spielen. Aber wie so viele Streiche ging auch dieser nach hinten los. Als sie aufhörte zu schreien, fand sie die Taschenlampe. Sie kroch aus dem Zelt und stand kurz davor, wegen des tollen Witzes auf Kosten ihrer Freundinnen in Gelächter auszubrechen. Aber sie waren verschwunden.«
    »Sie sind vor Schreck weggelaufen«, meinte Nick.
    »Das dachte Sandy auch. Sie lief um die Lichtung herum und rief nach ihnen. ›Hey, Mädels‹, schrie sie, ›das war doch nur ein Witz! Kommt zurück!‹ Aber sie kamen nicht zurück.
    Sandy setzte sich ans Lagerfeuer. Mittlerweile war nur noch etwas Glut übrig. ›Kommt schon‹, rief sie. ›Das reicht jetzt.‹ Aber Audrey und Doreen kamen immer noch nicht.
    Dann verließ sie den Zeltplatz, ging in den dunklen Wald und rief dort nach ihren Freundinnen. Bei jedem Schritt erwartete sie halb, dass die beiden kreischend auf sie zusprängen, um ihr den Schreck heimzuzahlen. Aber sie tauchten nicht auf. Sie suchte weiter und entfernte sich immer mehr von ihrem Lager.
    Schließlich entdeckte sie ihre Freundinnen auf einer mondbeschienenen Lichtung. Sie standen reglos da, während Sandy auf sie zueilte. ›Was macht ihr denn so weit weg?‹, fragte sie. Die beiden antworteten nicht. Sie sagten kein Wort. Als Sandy bei ihnen war, starrte sie sie fassungslos an. Dann begann sie zu wimmern.
    Die beiden Gestalten trugen die Kleidung von Doreen und Audrey, aber ihre Arme und Beine waren nur Stöcke. Sie waren Vogelscheuchen mit Köpfen aus blutigem Pelz.«
    »Fies«, stöhnte Rose.
    »Irgendwie fand Sandy zurück zum Lager. Sie setzte sich an das erloschene Feuer. Der Wind ächzte um sie herum. Sie blickte in die Dunkelheit. Sie wartete und wartete. Audrey und Doreen kehrten nie zurück.«
    »Nie?«, fragte Benny.
    »Nie wieder. Ein paar Wanderer stießen einige Tage später auf das Lager und fanden Sally, die immer noch dort saß und mit geweiteten Augen in den Wald starrte, als hielte sie Ausschau nach ihren verlorenen Freundinnen.«
    »Was ist ihnen denn zugestoßen?«, fragte Nick. »Audrey und Doreen?«
    »Suchmannschaften haben überall nach ihnen gesucht. Sie wurden nie gefunden. Niemand wird jemals erfahren, was aus ihnen geworden ist, nachdem sie in dieser Nacht in den Wald gerannt sind. Vielleicht ist es auch besser so.«
    Es kehrte Stille ein. Heather blickte sich ängstlich um. Rose beugte sich dichter ans Feuer.
    »Mit dieser heiteren Anmerkung«, sagte Flash, »sollten wir für heute Feierabend machen.«

9
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    »Hey«, sagte Nick. »Ich schlafe heute Nacht unter dem Sternenhimmel. Machst du mit?«
    »Das wäre schön. Ich muss erst Dad fragen.« Julie wandte sich um und entdeckte Scott bei Karen und Benny. Die drei verließen den Zeltplatz, offenbar um zum Bach zu gehen. »Wartet!«, rief sie und rannte hinterher. Schnell hatte sie ihren Vater eingeholt. »Kann ich heute Nacht draußen schlafen?«
    »Wo denn sonst?«
    »Ich meine, am Feuer. Statt im Zelt. Nick schläft auch draußen.«
    »Nur ihr beide?«
    »Ich weiß nicht.« Sie seufzte. »Mein Gott, Dad, wir machen doch nichts. Ich kenne den Jungen kaum.«
    »Daran hab ich gar nicht gedacht. Aber jetzt, da du es erwähnst …«
    »Dad.«
    Er lachte leise. »Nein, ich hab nichts dagegen.«
    »Super!« Julie wirbelte herum und lief los, um es Nick zu erzählen. Er war gerade über seinen Rucksack gebeugt und zerrte den Schlafsack heraus. »Er ist einverstanden.«
    »Klasse.«
    »Wir sehen uns am Feuer.«
    Ein Stück entfernt vom Lager, unter den Bäumen hinter ihrem Zelt, putzte sie sich die Zähne und wusch sich mit dem Wasser aus ihrer Plastikflasche das Gesicht. Als sie die Flasche wieder zuschraubte, hörte sie ein leises Knirschen. Es war nicht weit weg. Ein Schritt? Julie hielt den Atem an und starrte zwischen die Bäume. Sie sah nur schwarze Stämme und ein paar bleiche Steinhaufen.
    Es ist niemand hier, sagte sie sich.
    Trotzdem kam sie sich in dem hellen Fleck Mondlicht vor wie auf

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