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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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um. Ines stand am Waldrand. Ihre hellen Haare leuchteten im Licht des Feuers wie ein Heiligenschein. Olga blieb wie betäubt vor dem Geist stehen. Mit offenem Mund sah sie, wie Ines auf sie zuschwebte und sie an den Oberarmen zu packen versuchte. Olga bekam Angst und wich zurück. Ines packte ihre Hand und zog, als wollte sie Olga ins Reich der Toten zerren. Gewissenhaft wollte die Kriminalhauptkommissarin aus Berlin ihre Arbeit zu Ende bringen. Wahrscheinlich dachte sie sich, dass es für Olga am besten wäre, wenn Vincent seiner Enkelin alles selbst erzählte. Oder Juliane. Oder Heinrich. Und Ruben würde sich bestimmt freuen, Olga endlich wiederzusehen. Sie könnten wieder mit seinem roten Porsche herumfahren. Im Himmel tun Unfälle nicht weh. Ines machte den Mund auf und zu. Doch Olga verstand sie nicht.
    »Olga? Hörst du mich?«
    Olga sah sie nur an und antwortete nicht.
    »Olga?«
    Ines strich ihr leicht über die Wange. »Olga Ambach? Bist du da?« Olga schüttelte ihren Kopf, als säße eine Fliege auf ihrer Nase. »Kannst du mich verstehen?«
    »Ja.«
    »Ich habe vorhin den Schuss gehört und dich überall gesucht.«
    »Aber   … wo warst du denn?«
    »Du hast nicht zurückgerufen   … da war mir klar, dass irgendetwas passiert sein musste.«
    Olga zeigte auf die lichterloh brennende Hütte. »Du warst nicht   …?« Olga sackte in sich zusammen und Ines packte sie schnell.
    Plötzlich fuhr Olga herum, riss sich los und lief zu Thorvald, der immer noch auf dem Boden lag. Roman saß neben ihm.
    Sie beugte sich hinunter und strich über Thorvalds Wangen. Er hatte sich die Haare angesengt.
    »Das ist nicht schlimm«, sagte Olga leise. »Du wolltest sie doch sowieso abschneiden. Wegen der Hitze. Weißt du noch?«
    Sie streichelte sein Gesicht, nahm seine Hand und drückte sie fest an ihre Lippen. Langsam wiegte sie ihren Kopf hin und her. Plötzlich schlug er die Augen auf. Er sah sie an und lächelte.
     
    »Warum hast du mich aus dem Feuer gezogen? Ich denke, du willst uns loswerden. Du kannst dich wohl nicht entscheiden.« Thorvald saß neben Luis, der ohne jede Regung in das Feuer starrte.
    Luis drehte mechanisch seinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam, doch er sah durch Thorvald hindurch. Die Augen waren matt und stumpf und er wirkte völlig geistesabwesend. Sein rechter Arm blutete. Der Schuss hatte ihn oberhalb des Ellenbogens gestreift.
    »Hoffentlich greift das Feuer nicht auf den Wald über«, flüsterte Olga, die neben ihrem Vater hockte und fassungslos in die hell lodernden Flammen schaute.
    Roman schüttelte den Kopf. »Gott sei Dank hat es nach der großen Hitze schon geregnet. Mach dir keine Sorgen.«
    Olga seufzte. Von weit her waren erregte Stimmen zu hören. »Das musste so kommen   … ich wusste, dass irgendetwas in der Art passieren würde   …« Olga spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte und der Zorn in ihr aufstieg. Sie stand auf. »Papa! Was ist damals passiert? Was habt ihr mit Heinrich Hagenberg gemacht? Warum ist er verschwunden?«
    Luis lachte plötzlich laut auf, als wäre er für einen kurzen Moment zur Vernunft gekommen. »Ich glaube bis heute nicht, dass er richtig tot war.«
    Mit einem wilden, irren Blick schaute er Roman an. »Haben wir ihn nicht doch lebendig begraben? Immer und immer wieder taucht er nachts bei mir auf. Steht dann da, am Fenster. Ich sage dir   … er hat noch gelebt!«
    Olga starrte wütend auf ihren Vater. Sie hatte keine Lust mehr auf Fragen. Sie wollte Antworten. In dieser Nacht noch. Antworten auf alles.
    Roman antwortete nicht. Er hatte sich neben Thorvald gehockt und untersuchte, ob er verletzt war.
    »Ich will wissen, warum Juliane sterben musste.« Olga wandte sich an Thorvald, der, die Unterarme auf die Knie gestützt, dasaß und unendlich müde aussah.
    »Kannst du noch?«, fragte sie ihn.
    »Was?«
    »Luis in Schach halten. Wir gehen noch einmal zum See.« Sie wandte sich ihrem Vater zu. »Dort ist es doch passiert, oder?«
    »Lass ihn, Olga.« Roman klopfte Thorvald auf die Schulter, nahm sein Gewehr und stand auf. »Ich kümmere mich um Luis. Und du, mein Freund, du gehst in mein Haus und legst dich ins Bett!«
    Thorvald sah ihn an, als hätte er die Worte, die Roman an ihn gerichtet hatte, nicht verstanden. Dann wandte ersich plötzlich wieder an Luis. »Warum hast du das getan?«
    Luis sah ihn verwirrt an. »Was?«
    »›Was!‹«, lachte Thorvald verächtlich. »Stimmt. Er hat so viel Scheiße verbockt, dass er erst

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