Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget
nicht. Vorhin …«, er zeigte nach oben.
»Ich habe es vorhin von Luis gehört. Dass sie alles aufgeschrieben hat und dass du die Notizen aus ihrem Haus gestohlen hast.« Er schüttelte den Kopf. »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht …?«
Olga ließ ihren Vater nicht ausreden und wandte sich wieder an Luis.
»Du warst das also, der mit dem Hund in Julianes Haus herumgeschlichen ist. Und du hast auch meine Schuhe mitgenommen.« Olga schüttelte den Kopf. »Das mit der Lilie im Schuh hätte ich dir gar nicht zugetraut. Aber …wie bist du überhaupt auf Juliane aufmerksam geworden? Ich meine … sie hat das doch niemandem erzählt?«
»Na, weil ich sie gesehen habe«, rief Luis aufgebracht. »Damals. Ich sah da plötzlich ein kleines Mädchen rumlaufen. Ich dachte, ich spinne! Sie hat mir zugewinkt und ist an dem Moosflecken vorbeigeschlichen, auf dem Heinrich lag. Ich habe es Roman erzählt, aber der kannte sie auch nicht. Ich habe später herausgefunden, dass sie eine Schulfreundin von euch war, aus der Stadt, die öfter zu Besuch bei ihrer Tante am Kreuz war. Erst als die Himmelreich mir in der Nacht des Klassentreffens erzählte, dass eine gewisse Juliane May gezielte Fragen über die Ambachs, die Firma und mich gestellt hat, bin ich hellhörig geworden.«
Luis machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. »Quatsch – hellhörig! Meine Alarmsirenen gingen an.«
»Gudrun Himmelreich?«, fragte Olga erstaunt. »Die Himmelreich hat dich aufmerksam gemacht?«
In einiger Entfernung knackten plötzlich Äste im Wald und das Geräusch holte die vier wieder in die Gegenwart zurück. Allen war klar, dass eine ganze Horde Menschen durch den dunklen Wald kam.
Luis biss die Zähne zusammen, so dass seine Wangenknochen sichtbar wurden.
»Luis?« Olga musste sich beeilen. »Vorhin, als du mit Roman oben am Felsen warst, da hast du gesagt, du kannst nicht verstehen, wie sie in dem kleinen Bach ertrinken konnte.« Sie griff ihn fest am Arm. »Was ist an dem Bach passiert?«
»Ich wollte wissen, was sie weiß. Irgendwann ist sie damit rausgerückt: Dass da was nicht stimme, mit deiner Familie …, ihr würdet ein dunkles Geheimnis hüten …Sie hat sich lustig gemacht über mich, über die arroganten Ambachs. Sie sagte, sie hätte so viel zusammen, dass sie die ganze Sippe hochgehen lassen könnte. Mir ist klar geworden, dass es um Erpressung gehen würde. Sie fragte mich plötzlich, woher das ganze Geld stammte, das ich in meinen Laden stecke.«
»Was für Geld?«, fragte Thorvald.
Luis biss sich auf die Lippen und sah zu Roman. Dann holte er tief Luft. Resigniert ließ er die Schultern sinken. »Vincent hat mich bezahlt.«
Thorvald riss die Augen auf und Olga sah ihren Vater an. Der nickte langsam. »Für einen wie Vincent gibt es nur eine Form der Wiedergutmachung.«
Luis atmete tief ein. »Es stimmte, was Juliane behauptete. Ich habe das ganze Geld ins ›Luis‹ gesteckt. Sie muss irgendwie gewusst haben, dass die beiden Läden in der Stadt rote Zahlen schreiben.«
Plötzlich hatte Luis wieder die Verzweiflung in den Augen stehen. »Ich … ich habe plötzlich Panik gekriegt. Erst ihre Bemerkung mit dem verfluchten Geld, und dann fragte sie auch noch, warum ich da oben auf dem Felsen gestanden habe. Vor dreißig Jahren. Sie hat mich gesehen! Sie war eine Zeugin … Ich habe Heinrich nicht umgebracht! Aber mir ist dann einfach die Sicherung durchgebrannt. Ich wollte sie packen und zur Vernunft bringen. Wir waren beide nicht nüchtern, sie ist plötzlich hysterisch geworden, fing an zu schreien – ich glaube, sie hat nach dir gerufen, Olga, die Hütte ist ja gleich um die Ecke – dann ist sie gefallen und mit dem Kopf auf einen Stein geschlagen.«
Hilflos sah er Roman und Olga an. »Sie hat sich nicht mehr gerührt. Sie war tot. Und ich bin abgehauen.«
»Ist sie in den Bach gefallen?«, fragte Olga schnell.
Luis nickte.
»Wo?«
»Na, da, wo du sie gefunden hast.«
Olga zog die gefaltete Zeichnung aus ihrer Tasche und reichte sie Luis.
»Du hast sie gezeichnet?«, fragte er leise, als er die Zeichnung nahm.
»Lag sie so?«
»Nein! Verdammt! Hier liegt sie doch unter Wasser!«
Luis sah sie aufgebracht an. »Olga! Du kennst doch den Bach. Der ist nur so hoch.« Er hielt Daumen und Zeigefinger zwei Zentimeter auseinander.
Schnell nahm Olga die Zeichnung an sich und steckte sie in ihre Jeanstasche. Roman hatte ungeduldig zugehört und packte seine Tochter am Arm.
»Geht
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