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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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gesehen, obwohl er keine Miene verzogen hatte.
    Bei »Ich hab im Traum geweinet, mir träumte, du lägest im Grab   …« hatte er sein weißes Taschentuch aus seinem Jackett geholt und sich lautlos geschnäuzt. Zweimal hatte Gudrun Himmelreich seine Hand genommen und sie fest gedrückt. Olga hatte den Eindruck, dass sie ihn trösten und gleichzeitig ermutigen wollte.
    Nach dem Konzert waren die beiden sachlich und höflich wie immer, Chef und Sekretärin. Dass da mehr war, hatte sie allerdings gemerkt.
    Olga holte gerade noch ihre Tasche, als plötzlich Elise hinter ihr stand.
    »Es war so schön, Fräulein Olga«, sagte sie dezent und leise. »Sie sind ein wundervolles Paar.« Dann reichte sieOlga einen großen Kollegblock. »Den hat sie   …«, sie stockte. »Ihre Schulfreundin, die umgebracht wurde, Juliane   … den hat sie bei ihrem letzten Besuch hier vergessen. Ich weiß nicht, wohin damit, vielleicht können Sie etwas damit anfangen?« Sie drückte Olga den Block in die Hand.
    Plötzlich stand Gudrun Himmelreich neben Elise. »Hast du noch etwas vergessen?« Sie blickte neugierig auf den Block, und Olga hatte den Eindruck, dass sie sofort wusste, um was es ging.
    »Nein, nein«, sagte Elise schnell.
    Gudrun Himmelreich begleitete Olga und Thovald hinaus.
    »Jetzt wird es doch kein Porträt über Vincent geben«, sagte Olga, als sie langsam die Auffahrt hinuntergingen. »Hatte Juliane denn schon viel Material über ihn zusammengetragen?«
    »Nein, sie war nur einmal hier und hat sich einen ersten Eindruck verschafft. Zu den Details sind wir noch nicht gekommen.«
    »War Großvater bei den Gesprächen auch mit dabei?«
    »Nein, bisher nicht. Aber ich hätte ihn schon dazu überredet«, entgegnete Gudrun Himmelreich augenzwinkernd. »Du hast deinem Großvater eine große Freude gemacht, Olga. Er ist sehr stolz auf seine Enkelin. Das wird er dir nicht vergessen.«
    »Ich weiß«, sagte Olga. »Er vergisst nie etwas.«
    Frau Himmelreich wusste gleich, was Olga damit meinte. Sie blieb stehen.
    »Glaub mir, ich habe unzählige Male versucht, ihn dazu zu bewegen, aber   …« Sie stockte. »Er ist zu alt, er kann nicht mehr über seinen Schatten springen. Er hätte es tun sollen, als er noch jünger war. Jetzt ist es zu spät.«
    »Zu spät ist es eigentlich nie. Und wenn mein Vater den ersten Schritt machen würde? Wie würde er reagieren?«
    »Würde Roman das tun?«
    Olga überlegte. »Nein.«
     
    »Ich hätte nicht gedacht, dass er deinem Großvater so viel bedeutet – unser Vortrag, meine ich.« Auf dem Weg zur Hütte ging Thorvald nachdenklich neben Olga her. Immer wieder blieb er stehen, schaute abwesend in die Baumkronen oder auf den munteren Bach. Es war wieder ein wenig Wind aufgekommen und die warme Luft strich angenehm über die Haut.
    »Vielleicht ist ihm jetzt mehr denn je bewusst geworden, dass er seine Familie verloren hat«, schloss er nach einer Weile. »Immerhin hat er noch seine aufmerksame Sekretärin.«
    »Ist dir das auch aufgefallen?«, fragte Olga, als sie am Bach stehen geblieben waren.
    »Klar. Sie könnte seine Frau sein«, bestätigte Thorvald.
    Das »Luis« war voll. Olga und Thorvald fanden einen
    Platz am Tresen. Olga ließ ihren Blick über die einzelnen Tische gleiten, konnte aber keine bekannten Gesichter entdecken. Thorvald hatte sein Bier in einem Zug ausgetrunken und streckte das Glas Toni hin, der es gegen ein volles tauschte.
    »Ich denke, du musst noch zur Probe«, sagte Olga erstaunt.
    »Muss ich auch. Aber ohne gute Schmierung läuft heute nichts.«
    Olga hatte sich einen Kaffee bestellt und blätterte in Julianes Block, der vor ihr lag wie ein stummes Zeugnis aus einer anderen Welt. Er erhielt offensichtlich Notizen, die Juliane im Haus ihres Großvaters gemacht hatte.Olga erinnerte sich an Julianes Worte über ihr gutes Gedächtnis, und das versetzte ihr einen Stich. Wenn Hanna wirklich unschuldig war, dann war Juliane wohl nicht aus Eifersucht getötet worden. War Juliane ihr phänomenales Gedächtnis zum Verhängnis geworden? Hatte jemand Angst vor dem lebendigen Bilderarchiv in Julianes Kopf?
    Juliane hatte mehrere Projekte begonnen. Die Bergischen Neonazis, die Bergischen Industriellen, Produktpiraten. Hatte sie in ein Wespennest gestochen? Vielleicht ohne es zu merken. Oder absichtlich? Bei ihrem Temperament gut vorstellbar. Lag hier der Grund für ihren Tod? Wo sollte man ansetzen? Sie musste noch einmal mit Ines reden.
    An der Tür stieß Olga fast mit Luis

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