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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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Bäche gezählt, die das Bergische Land wie ein Netzwerk durchzogen.
    Die kleine Lichtung mit den Brennnesseln lag auf einer Anhöhe genau auf halber Strecke zwischen Romans und Vincents Haus. Auf der einen Seite führte der Pfad zu Roberts Steinbruch, gegenüber ins »Luis« und von dort führte auf halber Strecke die schmale Straße zu Konrads Haus hinauf. Dieser Ort war eine strategische Schnittstelle von fünf Möglichkeiten, fünf Mutmaßungen. Was hatte Benno hier oben gesucht? Zu wem wollte er? Von wem kam er? Wem war er hier begegnet? Wer hatte ihn mitgenommen?
    Martin Kirschbaum stand mit zwei seiner Leute an der Fundstelle des Handys und schaute in den Wald. Olga beobachtete die Männer und fragte sich, was wohl in ihren Köpfen vorging. Die Hundestaffel war ergebnislos wieder abgezogen, und es machte fast den Anschein, als hätten die Beamte ihre Hunde nur Gassi geführt. Auftrag erledigt, ab ins Auto. War Benno von Zwergen verschleppt worden?
    Olga hatte auf die Beamten gewartet, sie musste ihnen schließlich die Stelle zeigen.
    »Ich war im ganzen letzten Jahr nicht so oft hier draußen im Grünen wie in den letzten Tagen«, sagte Kirschbaum und schaute in die Baumwipfel, als würde er siezum ersten Mal als Bestandteil der Natur betrachten. Olga stand schweigend am Rand des Hohlweges und schaute ebenfalls in die Höhe.
    Bäume, dachte sie. Bäume waren doch Symbole des Lebens   …
    Dann sah sie wieder zu Kirschbaum hinüber, der immer noch die Gegend sondierte. Sie musste an Ines denken. Was brachte diese beiden völlig verschiedenen Menschen dazu, sich einen so aberwitzigen Beruf auszusuchen? Ihr Leben dem Aufklären von Verbrechen, dem nicht natürlichen Tod zu widmen? Nach Ungeheuern zu suchen, Lügner zu enttarnen, Menschen den gewaltsamen Tod eines nahestehenden Menschen mitzuteilen? Sich selbst in Gefahr zu bringen? Wie erklärten sie das ihren Kindern? Dass Papa oder Mama den ganzen Tag und oft auch nachts nicht bei ihnen waren, weil sie böse Menschen jagen mussten. Freiwillig. Doch dann sah sie die Gemeinsamkeit der beiden. Diese vollkommen klare Nüchternheit, die Dinge so zu sehen, wie sie waren, nämlich nicht in Ordnung; und der starke Drang, so lange daran zu arbeiten, bis sie wieder geregelt waren. Kirschbaum und Ines waren Ordnungsfanatiker.
    »Sind Sie sicher, dass Sie mir alles gesagt haben?«, unterbrach Kirschbaum Olgas Gedanken. »Hat Benno Thalbach zum Beispiel noch ein anderes Handy, das nicht auf seinen Namen läuft? Und haben Sie diese Nummer?«
    Olga zuckte die Schultern. »Benno hat mir diese Nummer beim Klassentreffen gegeben. Ich habe natürlich nicht gefragt, ob sie auf ihn registriert ist.«
    Kriminalhauptkommissar Kirschbaum atmete tief durch. »Was hatte Benno Thalbach vor?«
    Olga dachte nach, dann wurde ihr klar, dass sie nichtswusste, was ihm weiterhelfen würde. Selbst der Einbruch in Julianes Haus hatte nichts Neues zutage gefördert.
    »Benno hatte sich anfangs in den Kopf gesetzt, dass Robert Hunter irgendetwas mit der Sache zu tun hat.«
    Sie sah Kirschbaum an, der wie immer auf mehr wartete. »Und er musste irgendetwas gefunden haben. Er war   … ich weiß nicht, wie ich sagen soll, er war fast euphorisch. Er wollte nicht am Telefon darüber reden.«
    »Sie sagten ›anfangs‹. War er später anderer Meinung?«
    »Ich habe danach nicht mehr mit ihm gesprochen, aber er sagte, dass es nichts mit Robert zu tun hätte.«
    »Was könnte Benno vorgehabt haben?« Kirschbaum ließ nicht locker. »Denken Sie an die letzten Treffen mit ihm. Was hat ihn geärgert, was hat ihn gefreut?«
    »Gefreut hat ihn das kleine Konzert, dass Thorvald Einarsson und ich bei meinem Großvater gegeben haben«, fiel Olga spontan ein. »Er war so entspannt und   …« Olga stockte.
    »Und?«, fragte Kirschbaum leise, aber eindringlich. Er wollte, wie Ines auch, dass Olga erzählte. Dass sie die Situationen wiedergab, die Reaktionen und alles, was gesagt, getan oder angedeutet worden war, und sei es noch so unbedeutend.
    »Dann stand er plötzlich auf und verließ den Raum.« Olga sah Benno jetzt wieder ganz deutlich vor sich, seine seligen Augen, in denen sich die Freude über das Wiedersehen mit Thorvald spiegelte.
    »Und dann?«
    »Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen.« Olga stiegen die Tränen in die Augen. Sie sah Kirschbaum an. »Benno ist nicht weggelaufen, das ist nicht seine Art. Irgendetwas hindert ihn daran, zurückzukommen. Er   …«Sie konnte kaum mehr weitersprechen,

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