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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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nächtlichen Wald für einen Augenblick wie das Blitzlicht einer Kamera erleuchtete, glaubte Olga, ein paar Schritte neben Thorvald eine geduckte Gestalt gesehen zu haben. Sie sprang auf. Thorvald stand reglos auf seinem Berg und schaute in den Himmel, als würde er auf ein Zeichen jenes Wettergottes warten, dessen Namen er trug. Würde dieser einmal, ihm zuliebe, seinen Wunderhammer schleudern? Das einsetzende Donnergrollen ließ ihn berechtigte Hoffnung hegen.
    Olga wollte gerade flüstern, was sie glaubte, gesehen zu haben, als der nächste Blitz aufleuchtete. Wieder sah Olga das zusammengekauerte Wesen.
    »Thor! Da ist jemand.«
    Olga war kaum in der Lage zu sprechen, der Schreck lähmte sie vollkommen. Thorvald sprang mit drei Sätzen den Hügel hinab, stellte sich dicht neben sie und griff nach dem Gewehr. Er lauschte. Plötzlich war ein heftiger Wind aufgekommen und alles war anders. Eswar deutlich zu spüren, dass das Unwetter diesmal nicht an ihnen vorbeiziehen würde. Das war der Umbruch, auf den sie gewartet hatten. Dann hörten sie, wie in Roberts Steinbruch ein Motor angelassen wurde. Ein schweres Auto fuhr eilig davon.
     
    Benno lag auf der Seite, das rechte Bein angezogen, er rührte sich nicht. Olga und Thorvald knieten neben ihm, suchten nach einem Lebenszeichen.
    Dann sprang Thorvald wieder auf und hielt das Gewehr im Anschlag, als rechnete er jeden Augenblick mit einem erneuten Angriff.
    »War das der Hund?«, flüsterte Olga und sah auf. »Thorvald   … ist der hier irgendwo?«
    »Ich weiß es nicht!« Thorvald blieb, wo er war, und ließ die Umgebung nicht aus den Augen. »Lebt er noch?«
    Olga tastete nach Bennos Halsschlagader. »Ich weiß nicht, ich kann keinen Puls fühlen.«
    Thorvald ließ sich neben Benno fallen und tätschelte ihm die Wangen.
    »Benno, alter Junge.« Seine Stimme zitterte. »Mensch, reiß dich zusammen. Du warst immer der Stärkere von uns beiden. Komm   … Benno, komm   … ich habe uns so einen schönen Rotwein besorgt   …«
    Mit wirrem Blick sah er Olga an, die gerade ihr Handy ans Ohr hielt. Dann beugte er sich zu Benno hinunter, um zu hören, ob er noch atmete.
    »Papa? Du musst sofort nach Hause kommen   … Benno   … er stirbt uns hier weg!«
    Beide hatten nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, ob sie den Verletzten bewegen sollten oder nicht. Trotz Bennos Kopfverletzung richteten sie ihn auf, und Thorvald legte sich den Freund vorsichtig über die Schulter.Dann gingen sie los. Es begann zu regnen. Olga ging voran mit dem Gewehr in der einen und der Lampe in der anderen Hand. Thorvald folgte ihr auf den Fersen. Der Donner tobte über den hohen Bäumen und die Blitze halfen ihnen, nicht vom Wege abzukommen. Der Wind fuhr in heftigen Böen durch die Baumkronen und ließ kleine Äste und Zweige regnen.
    Schweigend gingen sie in gleichmäßigen Schritten den Weg entlang. Der Regen wurde stärker. Thorvald wusste nicht, ob er einen lebenden oder einen toten Körper durch den Wald trug. Er war so schwer, und Thorvald spürte keine Regung eines Muskels, keinen Reflex, der bei einer unachtsamen Bewegung oder bei Schmerzen ausgelöst worden wäre. Ein lebender Körper, sei er auch noch so ohnmächtig, hilft doch immer irgendwie mit! Benno aber hing wie totes Wild über seiner Schulter. Thorvalds Hände und sein Gesicht waren mit Blut verklebt. Seine Augen brannten. Das Blut vermischte sich mit salzigen Tränen und den dicken Regentropfen, die von den Blättern der Bäume herabfielen. Erst die schweren Schritte hinter ihm ließen ihn wieder zur Besinnung kommen.
    »Olga!«, schrie er.
    Auch sie hatte die Geräusche gehört und stand bereits hinter Thorvald, das Gewehr im Anschlag.
    Robert hatte sich in schnellen Schritten aus der Dunkelheit gelöst und stürmte auf sie zu.
    »Bleib stehen!«, schrie Olga.
    Robert blieb sofort stehen und starrte sie entsetzt an. »Bist du bescheuert?«
    »Was willst du hier?«, rief Olga mit fester Stimme, um ihre Angst zu verbergen, und richtete das Gewehr neu aus. »Wo ist der Hund? Ich knall ihn auf der Stelle ab!«
    »Was redest du da? Ich hab die Rufe gehört.« Er ging auf Olga zu.
    »Bleib stehen!«, schrie sie erneut. »Pfeif den Hund zurück und hau ab!«
    »Verdammt noch mal, die Hunde sind im Zwinger. Ich bin allein!«, rief Robert wütend. »Ich will euch helfen. Oder wollt ihr ihn krepieren lassen?«
    »Er ist vielleicht schon tot!«, schrie Thorvald und seine Stimme überschlug sich.
    Olga ließ das Gewehr sinken

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