Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
Vom Netzwerk:
hatte er denn nichts zu ihr, Olga, gesagt? Bestimmt wäre sie irgendwie damit klargekommen. Sie hatte doch selbst immer wieder versucht, sich von ihm zu lösen. Unfertige Gedanken zwar, aber immerhin   …
    Sie atmete tief durch. Der Boden unter ihren Füßen hatte sich in ein Schlammloch verwandelt, und der Regen fiel in Strömen. Aus der Ferne hörte sie herannahendes Gewittergrollen. Eine Hitzewelle wie diese würde nicht zu Ende gehen ohne das tosende Finale mit Donner, Blitz und Regen wie in der biblischen Sintflut. Ach, wenn der Regen doch nur die verfluchte Hütte samt den albernen Erinnerungen den Abhang hinabspülen würde.
    Sie stand an die Hauswand gelehnt und schaute in den bleifarbenen Himmel, als sich das Fenster über ihr einen kleinen Spalt öffnete.
    »Pssst!«
    Olga fuhr herum und blickte nach oben. Eine Hand schob sich aus dem Fenster und bedeutete ihr, näher zu kommen. Der Arm war stark genug, die ganze Frau ins Trockene zu ziehen.
     
    Thorvald Einarsson saß in seiner Garderobe, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Füße auf dem Schminktisch übereinandergelegt. Zuvor hatte er sich mit speziellen Stimm- und Körperübungen in Form gebracht. Jetzt hatte er die Augen geschlossen und versuchte sich zu entspannen. Er musste ruhig werden. Ganz locker. Er gab sich Mühe, sich auf seinen Atem zu konzentrieren. Ermusste versuchen, diese besondere Form der Entspannung zu finden, die gleichzeitig Anspannung war und die für den nötigen Adrenalinschub sorgte, die ihn dann zur Höchstform auflaufen ließ.
    Christian Reuther hatte laut aufgejault, als er die Schramme in Thorvalds Gesicht gesehen hatte. Doch gab die eilends herbeigerufene Maskenbildnerin ihr Bestes und betonte die Wunde noch, wie Olga es vorhergesagt hatte. Thorvald steckte bereits im Kostüm des armen Erik, der gleich um seine verlorene Liebe kämpfen musste. Bald würde er die Tür zur Bühne aufreißen und in die Spinnstube stürzen, in der seine Angebetete in fantastische Träumereien und Wahnvorstellungen verfallen war, ausgelöst von dem Konterfei eines verfluchten Seemanns aus Holland, der sich angemaßt hatte, Gott und Teufel gleichzeitig zu einer Segelregatta um das Kap der Guten Hoffnung herauszufordern. Erik würde bitten und flehen, beschwören und verzweifeln. Und hatte bereits zu Beginn keine Chance mehr.
    »Helft ihr! Sie ist verloren!« Mit diesem Aufschrei würde er seine Niederlage eingestehen und zusammenbrechen.
    Der Regisseur flitzte wie ein Wiesel zwischen den einzelnen Garderoben hin und her und machte die Sänger verrückt. Thorvald verdrehte die Augen und stöhnte. Er ging auf die Bühne und spähte durch einen schmalen Spalt im Vorhang.
    Er sah ihn sofort. Den mageren, bleichen Mann in dem dunklen Anzug. Den Holländer in Person. Bleich, verhärmt und reglos saß er im Parkett neben einer eleganten, auffällig ernsten Dame, die auf den Bühnenvorhang starrte, als würden sich dort bereits dramatische Szenen abspielen. Es dauerte eine Weile, bis er Gudrun Himmelreichwiedererkannt hatte, die er in Ambachs Haus als heitere Person kennengelernt hatte.
    Doch dann begannen Thorvalds Augen zu suchen. Wo war sie? Er hatte damit gerechnet, sie neben ihrem Großvater zu sehen. Oder war ihr das Geld ausgegangen und sie hatte sich eine Karte für den zweiten Rang besorgt?
    Er sah auf die Uhr. Der Gong war bereits zum dritten Mal ertönt. In wenigen Minuten würde das Drama unaufhaltsam seinen Lauf nehmen.
     
    Robert lehnte nervös an der Küchentür, die streng nach französischem Tabak riechende Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger.
    Olga stand am Fenster und blickte ihn feindlich an.
    »Was willst du hier? Ich dachte, deine Geschäftsfreunde aus Hamburg hätten dich aus dem Wald geschleust.«
    »Die haben anderes zu tun.« Er lachte höhnisch. »Kann Benno sich immer noch nicht erinnern?«
    Olga wurde unruhig. »Die beiden haben Benno   …?«
    »Mann!«, rief Robert und riss die Arme in die Höhe. »Die beiden, die beiden! Diese Idioten haben noch ganz andere Sachen gemacht. Scheiße!«
    »Waren die das mit Benno?«, rief Olga und sie merkte, wie die Wut in ihr aufstieg. »Sie haben ihn fast umgebracht!«, schrie sie und ging einen Schritt auf Robert zu, als wollte sie ihm die Augen auskratzen. Robert blieb völlig unbeeindruckt.
    »Warum deckst du sie? Was habt ihr vor?« Olga stand dicht vor ihm und funkelte ihn an.
    Robert erwiderte ihren Blick kühl. »Ist jetzt sowieso alles egal.« Er warf den

Weitere Kostenlose Bücher