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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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hat.
    Wir sagen das Unglück; gibt es nicht in der Tat ein Gesetz, das den ehrlichen, aber zahlungsunfähigen Schuldner dem Verbrecher gleichstellt und ihn derselben Behandlung in seinem Gefängnis unterwirft?
    Nach dieser Abschweifung kommen wir auf das Lynchgesetz zurück. Vor einem solchen Gerichtshof ohne Berufung, wo die Parteien sich zu Richtern aufwerfen, sollte Don Antonio de Mediana erscheinen, und die Justiz der Städte hätte mit all ihren erschreckenden Vorbereitungen die Feierlichkeit der Gerichtssitzung nicht erreicht, die eben in der Steppe eröffnet werden sollte, wo drei Männer die menschliche Gerechtigkeit samt ihren Irrtümern vertraten.
    Wir haben schon gesagt, welch großartige und sonderbare Szenerie sich ringsum dem Auge darbot, so daß bei deren Blick der Herzog von Armada zu dem Glauben hätte bewogen werden können, er befände sich unter dem Eindruck irgendeines schrecklichen Traums. In der Tat: diese finsteren, nebelumhüllten Berge; das dumpfe Geräusch, das unter der Erde grollte; die menschlichen Skalpe, die im Wind flatterten; das Skelett des indianischen Pferdes, durch das man hindurchsehen konnte – alles gewann in den Augen des spanischen Señors einen fremdartigen, phantastischen Charakter. Man hätte einen Augenblick glauben können, es fände hier eine Aufnahme in irgendeine geheime Verbindung des Mittelalters statt, wo man vor den Augen dessen, der aufgenommen werden sollte, alles entfaltete, was nur irgend seiner Seele Schrecken einflößen konnte, um dadurch seinen Mut zu erproben.
    Dies alles war jedoch leider eine schreckliche Wirklichkeit.
    Fabian zeigte mit dem Finger dem Herzog von Armada eine Steinplatte, wie sie, den Grabsteinen ähnlich, die Ebene bedeckten, und setzte sich auf eine andere, so daß er mit dem Kanadier und dem spanischen Jäger ein Dreieck bildete, dessen Gipfelpunkt er selbst war.
    »Es ziemt dem Angeklagten nicht, sich in Gegenwart seiner Richter zu setzen«, sagte der spanische Señor mit bitterem Lächeln. »Ich werde also stehen bleiben.«
    Fabian antwortete nichts. Er wartete, bis Diaz – der einzige fast unparteiische Zeuge vor diesem Gerichtshof – die ihm zusagende Stellung gewählt hätte. Wohl blieb der Abenteurer fern von den handelnden Personen in diesem Schauspiel, aber doch nahe genug, um alles zu sehen und zu hören. Seine Haltung war kalt, zurückhaltend und aufmerksam wie die eines Geschworenen, der sich seine Überzeugung nach der Debatte bilden will, die vor seinen Augen beginnen soll.
    Fabian nahm hierauf das Wort: »Ihr sollt nun erfahren«, sagte er, »welches Verbrechens man Euch anklagt. Was mich anlangt, so bin ich hier nur der Richter, der hört, verdammt oder freispricht.« Nach diesen Worten schien er zu überlegen. Er mußte vor allen Dingen die Identität des Angeklagten dartun. »Seid Ihr auch«, fuhr er endlich fort, »Don Antonio, den man bis jetzt Graf von Mediana genannt hat?«
    »Nein«, erwiderte der Spanier mit fester Stimme.
    »Wer seid Ihr denn?« fuhr Fabian mit einem fast schmerzlichen Erstaunen, das er nicht verbergen konnte, fort; es widerstrebte ihm, zu glauben, daß ein Mediana zu einer feigen Lüge seine Zuflucht genommen hätte.
    »Ich war der Graf von Mediana«, antwortete Don Antonio mit stolzem Lächeln, »bis zu dem Augenblick, wo mein Schwert mir andere Titel erobert hat; heute nennt man mich in Spanien nur Herzog von Armada. Das ist der Name, den ich auf den Mann meines Geschlechts vererben könnte, den ich als meinen Sohn adoptieren würde.« Dieser letztere beiläufig vom Angeklagten hingeworfene Satz sollte bald sein einziges Verteidigungsmittel bilden.
    »Gut«, sagte Fabian; »der Herzog von Armada wird erfahren, welches Verbrechens Don Antonio von Mediana angeklagt ist. Sprich, Bois-Rosé; sage das, was du weißt, und nichts weiter!«
    Dies zu empfehlen war nutzlos. Es lag auf dem rauhen, männlichen Antlitz des gigantischen Abkömmlings der normannischen Rasse, der unbeweglich, die Büchse auf der Schulter, neben ihm saß, so viel Ruhe und Ehrenhaftigkeit, daß sein Anblick allein jeden Gedanken an Verrat verbannte. Bois-Rosé stand auf, nahm langsam seine Pelzmütze ab und entblößte seine breite, edle Stirn. »Ich werde nur sagen, was ich weiß«, begann er. »Im Jahre 1808 war ich Matrose an Bord des Luggers ›Albatros‹, eines französischen Korsaren und Schleichhändlers. Es war im Monat November und eine neblige Nacht. Wir waren an Land gestiegen nach einer Verabredung, die mit

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