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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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des Stärkeren kein Wort ohne Inhalt ist.«
    »Das ist wahr«, antwortete Don Antonio, der trotz seiner scheinbaren Resignation bis in seine letzten Fibern vor Wut und Schmerz erbebte, sich so elend im Hafen scheitern zu sehen. »Ich darf nicht aus den Augen verlieren, daß Ihr ohne Zweifel entschlossen seid, dieses Recht zu benützen. Ich werde also Eure Frage beantworten, aber nur, um Euch zu sagen, daß ich nur etwas von Euch weiß: nämlich, daß ein Dämon Euch angetrieben hat, Eure Lumpen ständig zwischen das Ziel, das ich verfolge, und mich zu werfen ... Ich weiß ...« Die Wut erstickte seine Stimme.
    Erbleichend verschluckte der ungestüme junge Mann die Beschimpfung von Seiten des Mörders seiner Mutter, den er außerdem auch noch im Verdacht hatte, der Mörder seines Adoptivvaters zu sein. Gewiß war diese Mäßigung die Folge einer heroischen Anstrengung; und wer da weiß, von welch geringem Gewicht das Leben eines Menschen in diesen Einöden ist, wohin der Arm des Gesetzes nicht zu reichen vermag, der wird sie gewiß bewundern. In Fabians Seele jedoch waren seit seinem Zusammenleben mit dem kanadischen Jäger tiefgreifende Veränderungen vorgegangen.
    Es kommt uns sonderbar vor, wenn wir sehen, daß in Amerika die Zivilisation nur im Gefolge derer an Boden gewinnt und sich ausbreitet, die sozusagen vor ihr fliehen. Es gibt unter diesen Vorläufern eine große Anzahl, die von der Gesellschaft verstoßen sind oder nicht Geduld genug haben, um das Joch des Gesetzes zu ertragen, und deshalb die Steppen aufsuchen, in denen ihre Leidenschaften und Laster einen schrankenlosen Tummelplatz finden.
    Es gibt aber auch andere unter ihnen, die, ohne es zu wissen, edleren Einflüssen gehorchen. Es gibt unter ihnen solche, die keinen anderen Lebenszweig kennen als die Jagd und sich dieser dort nicht mehr hingeben können, wo Wälder, die sonst ohne Besitzer waren, nun das ausschließliche Eigentum eines Mannes geworden sind, der sie durch Kauf erworben hat. Diese Jäger sind gezwungen, das Wild bis in die Steppe zu verfolgen, in die es beim Vordringen des Menschen geflüchtet ist.
    Es gibt auch noch andere, die trotz ihres rauhen Äußeren eine poetische Seele haben und bei denen ein Leben voll Gefahren zur Gewohnheit geworden ist, wie der Matrose, den das Land langweilt und dessen Herz nur mitten im unermeßlichen Ozean frei und fröhlich schlagen kann. Bois-Rosé gehörte zur Zahl dieser letzteren. Das Leben auf dem Meer hatte bei ihm die Neigung für die großartigen Szenen in der Steppe entwickelt, doch trug er – wie die amerikanische Rasse im allgemeinen – in seinem Herzen die Ehrfurcht vor dem natürlichen Gesetz selbst da, wo das geschriebene Gesetz ihn nicht erreichen konnte.
    Obgleich Fabian entgegengesetzte Grundsätze eingesogen hatte, so war er dem Einfluß des Jägers doch unterlegen. Er war nicht mehr der junge Mann, der seine wilden Leidenschaften einer blinden Rachsucht zur Verfügung stellte; er hatte gelernt, daß die Macht auch gnädig sein kann; er war mit einem Wort – ohne es zu wissen – dadurch, daß er die Ideen des Kanadiers annahm, der Stunde vorangeeilt, wo die Rasse, der er entsprungen war, in die anglosächsische wird aufgehen müssen. Das war das Geheimnis einer Mäßigung, die seinem bisher gezeigten Charakter gänzlich widersprach. Seine Züge zeigten jedoch eine solche Aufregung, daß man gut sehen konnte, welche Anstrengungen es ihn kostete, sich selbst zu beherrschen.
    Der spanische Señor verschluckte unterdessen schweigend seine Wut.
    »Also«, fuhr Fabian fort, »wißt Ihr nichts weiter von mir? Ihr wißt also nicht meinen Namen und Stand? Ich bin also nichts weiter, als was ich zu sein scheine?«
    »Ein Mörder vielleicht«, erwiderte Mediana, indem er Fabian den Rücken zukehrte, um anzudeuten, daß er nicht mehr antworten wolle.
    Während dieses Gesprächs zwischen zwei Männern vom selben Blut und von einer gleich unzähmbaren Natur waren der Jäger und Pepe abseits geblieben.
    »Kommt heran«, sagte Fabian zu dem früheren Grenzjäger, »und sagt«, fügte er mit gezwungener Ruhe hinzu, »diesem Mann, wer ich bin; sein Mund legt mir einen Namen bei, den er allein verdient hat.«
    Wenn Don Antonio noch irgendeinen Zweifel über die Gesinnung der Männer gehabt hätte, in deren Hände er gefallen war, so mußte dieser vor dem finsteren Antlitz verschwinden, mit dem Pepe sich bei der Aufforderung Fabians näherte. Die sichtlichen Anstrengungen, die er machte, um den

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