Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Wahnsinne nicht an die Gefahr, sondern nur daran, das Gold so bald wie möglich in die Hand zu bekommen.
    »Warum gerade Ihr?«
    »Und warum Ihr?«
    »Weil ich leichter bin als Ihr und Ihr mich also besser halten könnt.«
    »Leichter als ich? Gerade umgekehrt!«
    Baraja blickte vor sich hin. Sein Gesicht bekam einen Ausdruck, den Oroche leider nicht bemerkte.
    »Nun wohl, Sennor Oroche, damit Ihr seht, daß ich besser bin, als Ihr vorhin sagtet, werde ich Euch Euern Willen lassen. Gebt Euern Lasso her! Wir werden ihn mit dem meinen verbinden, weil sie dann doppelt zu tragen vermögen.«
    Die beiden Lasso’s wurden an ihrem einen Ende um die Aeste geschlungen und mit dem andern an die Eiche befestigt. Oroche nahm den Sitz zwischen die Beine und das Messer zwischen die Zähne; Baraja faßte die sechsfach zusammengeflochtenen Riemen und – der lange Mandolinenspieler sank langsam an der Wand des Abgrundes hinab.
    »Halt!« rief er jetzt von unten herauf.
    Er hatte den Block erreicht. Baraja knotete die Lasso’s an der Eiche fest und blickte nun hinunter, wo Oroche alle Kraft anstrengte, um den ungeheuren Klumpen aus seiner Umfassung herauszubrechen.
    »Wird es gehen?«
    »Ja, doch langsam!«
    Es verging wohl eine Viertelstunde. Stück um Stück des harten Kieses sprang aus der Felsenwand, und Oroche arbeitete mit einer Gier und Anstrengung, daß ihm dicke Schweißtropfen von Stirn und Wangen rannen. Endlich stieß er einen lauten Jubelruf aus.
    »Fertig?« frug Baraja von oben herab.
    »Ja.«
    »Könnt Ihr ihn halten?«
    »Er ist ungeheuer schwer!«
    »Laßt ihn um aller Heiligen willen nicht fallen!«
    »Nein. Aber zieht, schnell, zieht, denn lange kann ich ihn nicht halten!«
    Baraja arbeitete aus Leibeskräften. Sein Blick ruhte auf dem Messer, welches er sich zurechtgelegt hatte, und auf der Stelle des Randes, an welcher Oroche erscheinen mußte.
    Da tauchte der Kopf des Letzteren empor.
    »Diabolos, ist das eine Last! Zieht, Sennor Baraja, zieht!«
    »Legt ab, Don Oroche, legt ab; dann könnt Ihr die Hände gebrauchen, um Euch vollends heraufzuschwingen!«
    Das leuchtete dem Gambusino ein. Er legte den Goldblock, der kaum mit dem dritten Theile seines Umfanges aus dem Felsen herausgesehen hatte, am Rande des Abgrundes nieder und wollte dann mit den Händen den Felsen erfassen. In diesem Augenblicke aber ergriff Baraja sein Messer.
    »Fahre hinab, Schuft!«
    Mit einem einzigen, kräftigen Schnitte hatte er beide Lasso’s getrennt, aber doch einen Augenblick zu spät. Oroche hatte die Bewegung bemerkt und in wahnsinniger Angst sofort nach dem Block gegriffen. Das schwere Gold lag nicht fest und zu nahe am Abgrunde, als daß es ihn hätte halten können. Ein einziger, entsetzlicher Schrei erscholl, der rings in zehnfachen Echo’s widerhallte, noch viel fürchterlicher als die beiden Laute, welche Cuchillo am frühen Morgen ausgestoßen hatte. Der Gambusino verschwand in dem kochenden Abgrunde; der Goldblock aber schlug auf einer hervorstehenden Felsenkante auf, daß diese zerbarst, fiel von da auf eine zweite hervorragende Spitze, und wurde durch diese beiden Hindernisse so aus der senkrechten Falllinie gebracht, daß er nicht in das schäumende Wasser stürzte, sondern am Rande desselben so tief in den weichen Boden schmetterte, daß dieser sich augenblicklich über ihm schloß.
    »
Santa madonna,
was habe ich gethan!« rief Baraja. »Das Gold ist weg, unwiderbringlich verloren!«
    Er bog sich über den Abgrund und starrte mit glanzlosem Auge in die Tiefe; er konnte nicht anders glauben, als daß der Block mit Oroche in das Wasser gefallen sei.
    »Ich Thor, ich armseliger, elender, unvorsichtiger Thor! Ich konnte warten, bis ich den Klumpen sicher hatte, und erst dann diesen Oroche zum Teufel schicken!«
    Noch immer starrte er hinab. Er konnte das Auge nicht von der Tiefe wenden, in welcher ein Reichthum verschwunden war, um dessenwillen er vergebens einen Mord auf sein Gewissen geladen hatte.
    Da kam eine lange Gestalt um die Ecke der Pyramide herumgeschritten. Es war der Kanadier. Er blickte nach oben und erkannte trotz der Entfernung das Gesicht des Mörders.
    »Holla, Sennor Baraja, was thut Ihr noch hier in den Bergen? Macht, daß Ihr fortkommt, sonst wird Euch meine Büchse den Weg zeigen!«
    Der Kopf des Angerufenen fuhr zurück, bog sich aber nach einigen Augenblicken wieder vor.
    »Hm,« brummte Bois-rosé, das war ein Schlag, als ob ein Felsen in die Erde führe. »Es muß etwas außerordentlich

Weitere Kostenlose Bücher