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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu bemächtigen!«
    Oroche wandte das Pferd und ritt trotz der Eile, welche dem Ritte ertheilt werden sollte, nur höchst langsam und zögernd davon.
    Baraja wartete, bis er ihn aus den Augen verlor und kehrte dann zum Felsensteige zurück, auf welchem er wieder zur Höhe gelangte.
    Das Erste, was er that, war, daß er sich am Rande niederlegte, um mit den Augen die Entfernung zu messen, welche ihn von dem Blocke trennte.
    »Der Lasso reicht, und ich weiß, daß er mich trägt. Ich lasse mich hinab, um den Klumpen genauer zu untersuchen!«
    Er zog das Messer und schnitt einige Aeste von den Büschen, um welche er das eine Ende des Lasso’s befestigte, so daß sie einen Sitz bildeten, auf welchem er vor dem Blocke Platz nehmen konnte. Das andere Ende schlang er um die Eiche, so, daß die Zweige ungefähr eine halbe Elle unterhalb des Goldklumpens zu schweben kamen. Nun untersuchte er auch die Festigkeit des Baumes; sie war so unzweifelhaft sicher, daß er das Wagestück beginnen konnte.
    Er legte sich auf den Boden, die Beine nach dem Abgrunde zugekehrt. Er bedachte nicht, daß er den Block unmöglich emporbringen konnte; er sann auch nicht auf die Schwäche des Lasso’s, der so dünn war, daß es ein beinahe unausführbares Unternehmen genannt werden mußte, an ihm wieder emporzuklimmen – er wollte hinunter, nur immer hinunter über die grauenhafte Tiefe; das Andere mußte sich dann schon ergeben, und schon schwebte er mit den Füßen über dem Abgrund, als ihn eine laute Stimme zurückhielt.
    »Halt, Sennor Baraja!«
    Er blickte empor. Oroche kam athemlos auf dem Felsenpfade herbeigestiegen.
    »Herauf, herauf, sonst jage ich Euch meine Kugel in das verrätherische Gehirn!«
    Der lange Gambusino hatte wirklich die Büchse angelegt und zielte. Baraja beeilte sich daher sehr, wieder auf die Beine zu kommen.
    »
Per diabolus,
Sennor Oroche, ich denke, Ihr seid im Galopp unterwegs nach dem Lager der Unsrigen!«
    »Ich war es auch,« meinte dieser mit vor Zorn und Anstrengung des Laufes hoch geröthetem Gesichte, »aber eine innere Stimme warnte mich und gebot mir, umzukehren. Wie es scheint, komme ich keinen Augenblick zu früh, um Euch vor Raub und Meineid zu bewahren!«
    »Raub und Meineid? Wo denkt Ihr hin!«
    »Nun, was wolltet Ihr denn sonst da unten?«
    »Ah, Sennor Oroche, Ihr meint, ich habe den Block holen wollen? Seid Ihr wahnsinnig! Den schweren Block, und der Eid, den ich Euch geschworen habe, ist noch viel schwerer!«
    »Ja, so schwer, daß Ihr ihn von Euch geworfen habt! Ich bleibe hier; ich gehe keinen Schritt von dieser Stelle fort!«
    »Das wird sich finden, Sennor Oroche!«
    »Wie so, Don Baraja?«
    »Ihr werdet gehen, denn das Loos hat Euch getroffen, und Don Estevan muß gerettet werden!«
    »Der Teufel soll ihn holen sammt Diaz und allen Jägern der Welt! Ihretwegen lasse ich Euch keine Sekunde lang hier allein.«
    »So werde ich Euch zu zwingen wissen!«
    »Ah! Wie so, mein lieber Don Baraja?«
    Baraja erhob seinen Karabiner.
    »Wenn Ihr nicht sofort macht, daß Ihr fortkommt, so jage ich Euch die Kugel in den Kopf!«
    »Und ich Euch die meinige,« antwortete Oroche, auch sein Gewehr erhebend.
    Wieder standen sie einander gegenüber, sich den Tod wünschend, aber Keiner wagte, loszudrücken; sie wußten auch gar wohl, warum.
    »Sennor Baraja!« meinte Oroche nach einer Weile des Schweigens.
    »Don Oroche,« antwortete dieser.
    »Wollt Ihr die Büchse senken?«
    »Nicht eher, als bis Ihr die Eure wegthut!«
    »Wir dürfen nicht schießen.«
    »Weshalb?«
    »Weil wir sonst die drei Jäger auf uns aufmerksam machen.«
    »Das ist gewiß!«
    »Wir wollen die Gewehre zugleich weglegen!«
    »Ich stimme bei. Wohlan!«
    Sie legten die Gewehre auf den Boden nieder und traten dann näher zu einander.
    »Wißt Ihr, Don Oroche, daß es wirklich besser ist, wenn wir Freunde bleiben?«
    »Ich bin ja immer ganz derselben Meinung gewesen, doch Ihr kommt stets mit Euren verräterischen Plänen dazwischen, so daß es unmöglich ist, Vertrauen zu Euch zu haben.«
    »Wir wollen Vertrauen fassen, und ich werde Euch einen Vorschlag machen.«
    »Laßt ihn hören!«
    »Wir wollen den Klumpen gleich jetzt gemeinschaftlich zur Höhe schaffen.«
    »Das ist allerdings das Beste, was wir thun können. Man vermag nie vorauszusehen, was die nächste Stunde bringt, und daher ist es besser, wir haben ihn in Sicherheit.«
    »Einer von uns muß hinab.«
    »Einer! Aber wer?«
    »Ich.«
    »Nein, ich!«
    Beide dachten in ihrem

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