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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nördlichen Seite scharf abstachen. Droben an den Spitzen der Riesen aber hingen noch die Nebel, von denen sie ihre Namen hatten. Die Scenerie wäre ein treffliches Sujet für einen Landschaftsmaler gewesen, und – wirklich, der Comanche hielt sein Pferd an und beschattete das Auge durch die vorgehaltene Hand. Nur einige hundert Pferdesprünge weit von sich bemerkte er zwei Menschen, von denen wenigstens der Eine auch seinem Kommen mit Erwartung entgegensah. Er hatte sie bisher nicht sehen können, weil eine der zahlreichen Bodenwellen zwischen ihm und ihnen gelegen hatte.
    Der Erste von ihnen saß auf einem ambulanten Feldstuhle, welcher zusammengelegt einen Gehstock bildete, vor einer Staffelei, welche auch zusammengeschlagen werden konnte und dann einen nur sehr geringen Raum beanspruchte. Er war ganz in einen grau und blau karrirten Tuchstoff gekleidet und trug einen breitrandigen Panamahut tief hinten in dem Nacken. Seine Augen, welche alle Augenblicke von den Bergen zur Staffelei und wieder zurück wanderten, waren mit einem großen, kreisglasigen, goldenen Lorgnon bewaffnet, und seine Rechte, die von dem grauen Glacéhandschuh, welchen die Linke hielt, befreit war, führte den Stift mit einer Sorglosigkeit, als befinde er sich in dem Atelier eines Malers in der Regent-Street zu London. Der Mann war jedenfalls einer jener englischen Sonderlinge, die sich im Vertrauen auf die Macht ihrer Regierung mit ihrem Spleen und all ihren Eigenthümlichkeiten in die verborgensten Winkel selbst der entlegensten Länder wagen.
    Der Zweite, eben Der, welcher das Nahen des Comanchen bemerkte, war vom Kopf bis zum Fuße ganz in gegerbte Damhirschhaut, welche man in Mexiko Gamuza nennt, gekleidet, trug einen leichten, vielfach zerknitterten Filzhut auf dem Kopfe und hatte nach Art der nordamerikanischen Trappers eine ganze Ausrüstung von allen nöthigen Gegenständen an seinem Gürtel hangen. Die langrohrige Büchse in der Hand, betrachtete er den Nahenden mit scharfem Auge, und meinte, ohne sich nach dem Zeichner umzusehen:
    »Sir Wallerstone!«
    »Master Wilson!«
    »Es kommt ein Indianer!«
    »Geht mich nichts an!«
    »Es kann ein Feind sein!«
    »Geht mich nichts an!«
    »Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß ein Kampf entsteht!«
    »Geht mich nichts an! Ich bin in die Savanne gegangen, um zu zeichnen und den berühmten ›Renner der Prairie‹ zu fangen. Wir haben Kontrakt mit einander gemacht, nach welchem Ihr Euern Lohn erhaltet und mich dafür vor allen leiblichen Gefahren zu behüten und bewahren habt. Der Wilde ist also Eure Sache!«
    »Aber ich kann Euch nur dann beschützen, Sir Wallerstone, wenn Ihr meiner Leitung folgt!«
    »Geht mich nichts an!«
    »Der Kontrakt verpflichtet mich allerdings, die Gefahr auf mich zu nehmen, aber wenn ich ihr erliege, so seid auch Ihr verloren!«
    »Geht mich nichts an!«
    »Oh, es ist kein Feind, sondern ein Comanche! Ihr könnt ruhig weiter zeichnen, Sir Wallerstone!«
    »Das hätte ich auf jeden Fall gethan,« antwortete der Engländer, indem er mit der Linken die Koteletten seines Bartes streichelte und mit der Rechten den Stift in vollständiger Sorglosigkeit über das aufgespannte Papier führte.
    Auch der Comanche hatte, sich langsam nähernd, seine Büchse ergriffen. Er erkannte, daß es keine Apachen sondern zwei Bleichgesichter waren, von denen er nichts Nennenswerthes zu befürchten haben konnte.
    »Halt!« rief Wilson in jenem Jargon, welcher zwischen den Indianern und Mexikanern geläufig ist. »Was thut der rothe Mann hier auf dem Jagdgebiete seiner Feinde?«
    »Ist mein weißer Bruder ein Freund der Apachen?«
    »Er ist ein Freund Aller, die ihn ruhig ziehen lassen, und ein Feind aller Derer, die seine Kugel schmecken wollen.«
    »Wird er den Apachen erzählen, daß er einen Sohn der Comanchen gesehen hat?«
    »Er wird schweigen.«
    »Dann wird mein weißer Bruder seinen Skalp behalten,« erklang die stolze Antwort, indem der Indianer sein Pferd näher trieb.
    Ein beinahe geringschätziges Lächeln glitt über die verwetterten Züge Wilsons.
    »Oho! Ist mein rother Bruder ein so großer Krieger? Hundert Comanchen und zweihundert Apachen würden sich vergebens bemühen, mein Haar zu erhalten.«
    »Dann ist das Bleichgesicht ein Liebling seines Manitou, denn Falkenauge bekommt den Skalp eines jeden Mannes, wenn er ihn haben will!«
    »Falkenauge?« Der verächtliche Zug verschwand und machte einem Ausdrucke der Freude Platz. »Ich habe vernommen von Falkenauge, dem

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