Der Waldläufer
Augustin.
»Tiburcio?« rief auch Rosarita, indem sie ihre Hände sinken ließ. »Er lebt also noch. Er ist nicht todt?«
Neue Röthe war auf ihre Wangen zurückgekehrt, und ihre Augen begannen wieder zu glänzen.
»Ich sagte es ja!«
»Erzählt, erzählt!« rief der Haziendero. »Es muß Furchtbares und Unerhörtes geschehen sein!«
»So hört!«
Er begann.
Sie lauschten athemlos seinen Worten, mit denen er alle seine Erlebnisse ausführlich schilderte. Mit keinem Worte wurde er unterbrochen, und selbst als er geendet hatte, blieb es noch lange Zeit still in dem kleinen, luftigen Raume.
Endlich holte der Haziendero tief Athem.
»Die Wege Gottes sind wunderbar. Rosarita, der arme Rastreador ist jetzt mein und auch Dein Herr!«
Das war die Quintessenz, welche er im Drange des Augenblickes aus dem Gehörten zog.
Da ertönte draußen ein vielstimmiger Ruf des Schreckens, welcher von den sämmtlichen Vaquero’s ausgestoßen wurde. Don Augustin und Diaz eilten hinaus. Alle anwesenden Männer hatten die Waffen ergriffen und blickten nach dem unteren Ufer des Sees, an welchem ein bis an die Zähne bewaffneter Indianer heraufgesprengt kam. Sein Pferd war ganz mit den Skalpen getödteter Feinde behangen; durch den Turban, welcher seinen Kopf bedeckte, schlang sich die Haut einer riesigen Klapperschlange; in seinem Gürtel glänzten Tomahawk und Skalpmesser, und in seiner Rechten hielt er eine mit silbernen Nägeln verzierte Büchse.
»Indianer! Zu den Waffen, zu den Waffen!« rief es rundum.
Sir Wallerstone wurde durch diesen Ruf aus seinem Zelte gelockt.
»Was ist es, Master Wilson!«
»Ein Wilder kommt. Wir werden wohl kämpfen müssen!«
»Geht mich nichts an!«
Er kehrte in sein Zelt zurück.
Der Indianer kam näher, so daß man die Malereien seines Gesichtes erkennen konnte.
»Es ist ein Comanche, Sennor Augustin!« meinte Wilson.
»Ja, ein Comanche,« stimmte Diaz bei. »Ihr könnt ruhig sein, Sennorita!«
Der Haziendero gebot den Vaquero’s, zu schweigen und sich ruhig zu verhalten.
»Falkenauge,
per dios,
das ist kein Anderer als Falkenauge!« rief da eine Stimme.
Sie gehörte Encinas’, welcher sich hervordrängte und seinem rothen Bekannten entgegeneilte.
»Der Cibolero!« rief dieser. »Will mein weißer Bruder mir sagen, wo das Bleichgesicht steht, welches Augustin Pena heißt?«
»Dort der schwarzbärtige Mann am großen Zelte!«
Der Indianer kam herankourbettirt, parirte sein Pferd und senkte die Büchse.
»Falkenauge, der Comanche, kommt, seine weißen Freunde zu grüßen. Dieser weiße Sennor heißt Augustin Pena?«
»Ja,« antwortete der Haziendero.
»Ist nicht gekommen zum Büffelsee Petro Diaz, der Indianertödter?«
»Ich bin es!«
»Und ein Mann mit vier Augen, welcher –«
Er hielt inne, denn er erblickte Wilson, dessen Anwesenheit seine Frage beantwortete. Dann sah er Rosarita, welche sich scheu unter den Eingang ihres Zeltes zurückgezogen hatte. Schnell war er vom Pferde und stand vor ihr.
»Diese Blume unter dem Zelte der Sterne ist der Stern von Sonora?«
Sie erglühte und niemand antwortete.
»Falkenauge, der Comanche,« fuhr er fort, »soll geben dem Stern von Sonora diesen Ring zum Zeichen, daß noch lebt Tiburcio, der große Pfadfinder!«
Es war der Ring seiner Mutter, welchen er von Arechiza erhalten hatte. Sie nahm ihn mit zitternden Fingern aus seiner Hand.
Dann wandte er sich zu dem Haziendero.
»Sennor Augustin, der Indianertödter und der Montanamann mögen kommen mit Falkenauge zur Berathung!«
Ohne erst eine Einladung abzuwarten, trat er ihnen voran in das Zelt. Dort aber zog er vor, stehen zu bleiben, statt sich zu setzen.
»Ist der Indianertödter gekommen auf eine Spur der Apachen am rothen Flusse?«
»Nein!«
»Hat der Montanamann gesehen die Kriegskanoes der Schakale im Wasser?«
»Nein.«
»Die Räuber der Savanne sind gestoßen zu den Hunden der Apachen. Sie liegen im rothen Flusse da, wo dieser trinkt die Fluth des Büffelsee’s. Aber hinter ihnen halten die Krieger der Comanchen mit dem ›großen Adler‹, dem ›zündenden Blitz‹ und dem großen Pfadfinder. Tiburcio wollte gehen zu den Bleichgesichtern, um sie zu warnen, aber der ›große Adler‹ läßt ihn nicht wieder von sich.«
Don Augustin erschrak um seiner Tochter willen. So nahe hatte er sich die Gefahr nicht gedacht.
»Was sagt mein rother Bruder, was wir thun sollen?«
»Er sagt nichts. Er will hören die Stimme der Bleichgesichter.«
»Wir dürfen sie nicht
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