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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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blickte die Verkaufsgasse entlang. Der Markt hatte sich in den letzten Minuten noch mehr belebt, überall waren jetzt Menschen, die zwischen den Angeboten hin-und herpendelten, sie sorgfältig prüften und darum feilschten.
    Ozo beschloss, Nina mit Nichtachtung zu strafen.
    »Schöne Äpfel, Leute!«, schrie er. »Schöne Äpfel! Neue Ernte, frisch vom Baum!«
    »Schrei nicht so.« Einer der Zwillinge räkelte sich.
    »Wer soll dabei schlafen!«
    »Saftiger Schinken, knackige Bohnen, frische Kräuter, feine Wolle!« Ozo wollte sich von den Zwillingen nicht einschüchtern lassen.
    Eine alte Frau nahte mit winzigen Schritten und betastete unbeholfen die Knäuel. Sie hatte die Zitterkrankheit, ihre Finger wackelten unkontrolliert in der Luft. »Die - Wolle - sieht -gut - aus«, nuschelte sie mit monotoner, kaum zu hörender Stimme. »Wer - hat - sie - gesponnen?«
    »Meine Mutter.«
    »Ist - das - Maria - Perpinas?«
    »Richtig, Abuela.« Ozo benutzte absichtlich das vertrauliche »Großmutter«, um die Alte für sich zu gewinnen. »Dann - will - ich - sie - nicht!« Der Zeigefinger des Mütterchens wackelte unmittelbar vor Ozos Nase, dann schlurfte sie davon.
    »Ja, aber ...?« Irgendetwas schien die Alte gegen seine Mutter zu haben.
    Ein schwerer Mann schob sich heran. Ozo glaubte in ihm den Kerkermeister von Dosvaldes zu erkennen, aber er war sich nicht sicher, weil der Kerl kaum hinkte.
    »Haste auch Galgenmännchen bei deinen Kräutern?«, fragte der Koloss. Er war so riesig, dass er alle Waren mit seinem Schatten überdeckte.
    »Galgenmännchen? Tut mir Leid, kenn ich nicht. Was soll das sein, Senior?«
    »Nu, nu, Alraune ist's, haste Alraune?«
    »Ja, zwei oder drei Wurzeln, Senior.« Ozo grub unter den verschiedenen Kräutersorten nach dem Gewünschten.
    »Hier, Senior!«
    »Die sehn aber nich aus wie'n Pimmel.« Der Koloss beäugte jede einzelne Wurzel genau. »Haste se wenigstens unter 'nem Galgen ausgegraben?«
    »Unter einem Galgen?« Ozo durchlief ein Schauer.
    »Nein, Senior, natürlich nicht. Die Wurzeln sind aus unserem Kräutergarten hinterm Haus.«
    »Dann behalt dein'n Kram!«
    »Aber Senior, es sind die besten Wurzeln, die ...«
    »Halt's Maul! Niemand nich hat Galgenmännchen wie'n Pimmel, der Apotheker nich, der Bader nich un du auch nich. 's is wie verhext.« Der Koloss entfernte sich schimpfend. Ozo starrte dem seltsamen Riesen nach, zuckte mit den Schultern und begann erneut, seine Waren auszurufen: »Frische Äpfel, saftiger Schinken ... frische Äpfel, direkt vom Baum!«
    »Deine Äpfel und den Schinken kannst du behalten.«
    Ein dicker Bauer steuerte auf die Kiste zu, in dem das Ferkel saß. »Das Schwein interessiert mich mehr. Ist es gesund?«
    »Aber selbstverständlich, Senior, wie ein Fisch im Wasser.«
    »Hm.« Der Dicke schniefte, langte in den Kasten und hob das Ferkel heraus. »Sieht aus, als würdest du die Wahrheit sagen.« Er hielt das Tier ins Licht. »Es ist 'ne kleine Sau, wo ist der Rest vom Wurf?«
    »Schon verkauft«, log Ozo schnell. Was ging es den Bauern an, dass der gesamte Wurf nur aus drei Ferkeln bestanden hatte, von denen die beiden anderen kurz nach der Geburt eingegangen waren. Der Himmel mochte wissen, warum. Seine Mutter hatte zwar die Vermutung geäußert, es läge am Alter der Muttersau, aber das brauchte niemand zu wissen.
    »Verkauft? Wann denn?«, mischte sich einer der Zwillinge ein. »Davon haben wir nichts mitgekriegt, nicht wahr, Bruder?«
    »Nein.« Der andere Zwilling wandte sich treuherzig an den Bauern: »Und wir waren die ganze Zeit hier. Aber wir wollen damit natürlich nicht sagen, dass Ozo lügt.«
    »Moment mal«, knurrte der Bauer. »Soll ich hier etwa beschissen werden?« Drohend schob er sich auf Ozo zu. Das Ferkel ließ er achtlos wieder in den Kasten fallen. Die kleine Sau quiekte protestierend.
    »Aber nein, Senior, ich schwöre es bei allen Heiligen!«
    Angst kroch in Ozo hoch. »Die anderen Ferkel wurden schon letzte Woche verkauft.« Hoffentlich nahm ihm der Bauer das ab. Betrug beim Viehhandel war keine Kleinigkeit. Wenn nur diese verfluchten Zwillinge nicht wären! Er nahm sich vor, es ihnen bei nächster Gelegenheit heimzuzahlen. Doppelt und dreifach.
    »Seht doch, Senior«, er nahm das Ferkel erneut aus der Kiste und hielt es dem Dicken vor die Nase, »schaut es Euch genau an: Ein gesünderes Schwein hat's nie gegeben!«
    »Und wie viel soll's kosten?« Der Bauer war immer noch misstrauisch.
    »Der Preis ist nicht der Rede wert,

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