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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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aufgelöst.
    »Das hat mir gerade noch gefehlt!« Martinez spuckte verächtlich aus, als Vitus und der Magister die Zelle betraten. »Der Rechtsverdreher und der Ketzerdoktor.«
    Ihr alter Raum hatte sich nicht verändert. Alles war so, als hätten sie ihn erst gestern verlassen. Nur dass Martinez jetzt allein darin saß. Er hatte den Platz gewählt, an dem zuletzt die Juden geschlafen hatten.
    »Wo sind Habakuk, David und Solomon?«, fragte Vitus.
    »Freigelassen!« Martinez spuckte abermals aus.
    »Wenn's nach mir gegangen wäre, hätt man die Christusmörder ruhig verbrennen können, mitsamt ihren verschnittenen Pimmeln.«
    »Das will ich nicht gehört haben«, sagte der Magister scharf.
    »Blas dich nicht so auf, Paragraphenreiter!« Martinez erhob sich drohend.
    »Deine Worte sind Blasphemie, ich wünschte, sie würden dir im Hals stecken bleiben!«
    »Hört auf!« Vitus trat dazwischen.
    »Un haltet eure dämlichen Schnauzen.« Nunu sperrte die Tür von außen zu.
    »Ich habe kein gutes Gefühl«, flüsterte der Magister bei Anbruch des nächsten Tages. »Auf dem Gang kommen schon wieder schwere Schritte.«
    Er und Vitus lagen an ihrem alten Platz unter den Fenstern. Sie hatten sich jeder ein Lager gebaut, doch war es nicht leicht gewesen, in diesen Genuss zu kommen, denn Martinez hatte sämtliches Stroh für sich beansprucht. Nur unter Androhung von Gewalt hatte er sich schließlich von zwei großen Büscheln getrennt.
    »Wahrscheinlich ist es Nunu.« Vitus rieb sich die Augen. Er hatte nicht gut geschlafen. Das Lager war zwar einigermaßen weich und die Umgebung vertraut, aber die Atmosphäre war vergiftet. Man konnte nichts tun oder sagen, ohne dass nicht eine gehässige Bemerkung von Martinez kam.
    Der Magister war besorgt. »Das Monstrum hat uns gestern Abend nichts zu essen gebracht. Das muss nichts zu bedeuten haben, kann aber auch ein schlechtes Zeichen sein.«
    »Der Herr hat die Gelehrtenhosen voll«, höhnte Martinez aus seiner Ecke.
    Die Tür wurde aufgestoßen. Nunu erschien. Vitus registrierte erneut, dass der Koloss nicht mehr hinkte. Ein Gefühl des Stolzes durchfuhr ihn: Seinerzeit hätte er keinen Pfifferling für den Heilerfolg gegeben, doch jetzt war das Bein wieder voll belastbar.
    »Hallo, Nunu«, sagte er.
    Der Koloss winkte nur knapp mit der Hand: »Bewech deinen Arsch, Ketzerdokter. Bischof Mateo will 'ne Verhandlung machen.«
    »Also doch!«, entfuhr es dem Magister. Er war leichenblass geworden. »Hat diese Quälerei denn nie ein Ende!«
    »Aber gewiss doch«, antwortete Martinez ungefragt.
    »Wenn dein neunmalkluger Freund als Asche grüßt.«
    »Du bist die fleischgewordene Bosheit!« Der Magister schoss von seinem Lager hoch und wollte sich auf den Einäugigen stürzen, doch Nunu stand ihm im Weg: »Maul halten, alle!« Vitus' Gedanken überschlugen sich, während er ruhig zu bleiben versuchte und sich mechanisch das Stroh aus dem Hemd klopfte. Dieser widerliche Martinez!
    Er wünschte sich, es dem Burschen irgendwann heimzahlen zu können, auch wenn der Gedanke nicht sehr christlich war. Doch erst einmal musste er mit heiler Haut das Verhör überstehen. »Was wirft man mir diesmal vor?«, fragte er.
    »Weiß nich.« Nunu drängte Vitus aus der Tür. Der Magister fiel dem Koloss in den Arm:
    »Was will Bischof Mateo?«, rief er aufgebracht. »Sag uns alles, was du weißt, um der Heiligen Mutter Gottes willen!«
    »Gar nix weiß ich.« Nunu wehrte den kleinen Mann wie eine lästige Fliege ab. »Nur dass Bischof Mateo 'ne Verhandlung machen will un dass Schiefhals ihm hilft.« Er stieß Vitus mit der einen Hand hinaus, während er mit der anderen die Kerkertür zuschlug.
    »Fahrt zur Hölle«, sagte Martinez, beiden zufrieden nachblickend.
    »Seid Ihr so weit, Alcalde?«, fragte Bischof Mateo de Langreo y Nava höflich. Es war Punkt 10 Uhr morgens, und er befand sich wieder im Sitzungssaal der Bürgermeisterei von Dosvaldes, wo alles zu seiner Zufriedenheit vorbereitet worden war.
    Der Inquisitionsprozess konnte beginnen.
    »Jawohl, Euer Exzellenz.« Don Jaime schob den Teller, von dem er soeben noch gespeist hatte, beiseite, nahm einen elfenbeinernen Zahnstocher zur Hand und begann sich die Reste seines Frühstücks aus den Zähnen zu klauben. Mateo betrachtete es missbilligend.
    »Pater Enrique!«, rief er. Schiefhals, dessen Kopf im Halbschlaf vornübergesunken war, schreckte hoch. »Mein Bischof?«
    »Pater Enrique

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