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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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zur Tür raus und ein paar Gänge weiter, Antonio und ich immer hinterher, schließlich blieb sie vor einer Zellentür stehen. Sie schloss auf und ließ uns rein. Ich muss sagen, für einen Kerker der Inquisition sah es darin gar nicht so schlecht aus: ein Bett, ein Stuhl, Schemel, Kohlebecken und so weiter. Das muss die Zelle sein, in der Vitus und der Magister saßen!, schoss es mir durch den Kopf. Während ich das dachte, hatte die Ratte schon aus einer Ecke die Kiepe hervorgezerrt: »Die gehörte mal einem Gefangenem, sagte sie gleichgültig, »genauso wie dieser Stecken. Der lagerte früher woanders, aber bei mir muss alles seine Ordnung haben. Wenn du mir für die Kiepe einen guten Preis machst, gebe ich dir den Stab noch dazu.«
    »Was geht denn überhaupt in so eine Kiepe rein?«, fragte ich, »gib mal her.«
    Sie gab mir die Kiepe, und ich untersuchte ihren Inhalt, um festzustellen, ob etwas fehlte. Es schien alles noch drin zu sein. Aus Vitus' Beschreibung wusste ich, dass sie einen doppelten Boden hat, in dem sein Heilbuch verborgen ist. Wie kann ich herausfinden, ob das Buch noch da ist, ohne dass ich das Geheimnis verrate?, überlegte ich fieberhaft. Dann kam mir der Einfall: Ich nahm nacheinander alle Gegenstände heraus, bis sie leer war. Dann wog ich sie prüfend in der Hand und spürte vom Gewicht her, dass der Foliant noch drin sein musste. »Da geht allerhand rein«, sagte ich bewundernd, »ein schönes Stück! « Ich beeilte mich, alle Sachen wieder hineinzustopfen und fragte die Ratte, was sie dafür haben wolle. »Ein Goldstück! «, zischte sie und streckte fordernd die Hand aus.
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen! «, schrie ich entsetzt. »Sehe ich aus wie einer, der Gold besitzt? Hör zu, Ratte, ich gebe dir alles, was ich habe, denn für meinen Vetter Martinez ist mir nichts zu teuer, hier ... « Ich gab ihr drei kleine Silberstücke, die sie auch sofort annahm. So kamen wir zu Vitus' Sachen.«
    »Ich muss Euch ein großes Kompliment machen, lieber Orantes«, sagte Gaudeck, und in seinen Worten schwang ehrliche Anerkennung mit, »Ihr seid mit dem Geld des Klosters sehr sparsam umgegangen.«
    »Was? Ihr habt Orantes Geld gegeben, damit er meine Sachen freikaufen kann, Ehrwürdiger Vater? Ich danke Euch! Ich danke Euch!« Vitus' Augen leuchteten. Er sprang auf, beugte das Knie und küsste die Hand des Abtes.
    »Nun, um der Wahrheit willen ist festzustellen, dass ich Orantes das Geld für alle Eventualitäten mitgegeben hatte. Dass er damit in der Lage sein würde, deine Habe auszulösen, konnte ich natürlich nicht voraussehen.«
    »Wo sind die Sachen denn? Ich muss sie unbedingt haben!« »Das hat doch noch Zeit«, wehrte der Magister ab.
    »Lass Orantes erst einmal weiter berichten.« »Aber ich bestehe darauf!«
    »Na denn.« Orantes grinste. »Antonio, geh mit Vitus hinter den Wagen, und zeig ihm, was wir mitgebracht haben.« Kurz darauf erschienen beide wieder. Vitus strahlte: »Alles da! Was für ein Tag! Ich könnte die ganze Welt umarmen!« »Das dürfte zu lange dauern«, meinte Orantes trocken, »aber du kannst schon mal bei mir anfangen.«
    Vitus umarmte ihn kurz und heftig. »Danke!« Die Zwillinge erhielten einen kameradschaftlichen Knuff.
    »Das habt ihr großartig gemacht!« »Ach, nicht der Rede wert.«
    »Decet vereeundum esse adolescentem«, meldete Cullus sich lobend. »Bescheidenheit ziert den Jüngling.«
    »Und wie ging es nun weiter, mein lieber Orantes?«, fragte Gaudeck.
    »Wir verließen die Zelle. Ich ging voran, hinter mir kam Antonio mit Vitus' Sachen. Als Letzter verließ die Ratte den Kerker. Sie schloss umständlich ab, es dauerte eine Weile, zumal das Schloss etwas klemmte. So kam es, dass wir schon fast am anderen Ende des Gangs waren, als sie uns endlich folgte. Antonio und ich nickten uns zu, und wir begannen zu laufen, während ich zurückschrie: »Du Leichenfledderer, du Mörder, du Miststück ... « Ich benutzte noch allerlei Ausdrücke mehr, die ich hier nicht wiedergeben möchte.
    Zuerst guckte die Ratte ziemlich dumm, dann merkte sie, dass wir ihr die ganze Zeit etwas vorgegaukelt hatten. Aufheulend machte sie sich an unsere Verfolgung. Wir jagten durch mehrere Gänge, bis wir kurz vor dem Tor waren. Unser Vorsprung hatte sich inzwischen vergrößert. Ich lief auf den Soldaten zu, der sich noch immer mit Lupo unterhielt. »Wachtposten!«, rief ich, »Wachtposten!«
    »Was ist los?«, fragte der Mann aufgeschreckt. Ich baute mich vor ihm

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