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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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dass er kaum etwas Festes schlucken kann. Gebt ihm darum heute und morgen eine kräftige Fleischbrühe zu trinken, dazu viel Wasser, das füllt den Magen und unterdrückt das Hungergefühl.«
    »Gott sei gelobt und gepriesen!«
    »Allerdings wird Paco die nächsten Tage nicht sprechen können, denn der Luftstrom aus den Lungen, der normalerweise durch den Kehlkopf und die Stimmbänder nach oben streicht, ist durch das Röhrchen abgeleitet worden. Doch er wird es wieder können, sobald ich die Atmungshilfe entfernt habe.«
    »Ich verstehe.« Die Frau wischte dem Kind liebevoll die Nase. Sie nahm dazu ein großes, schon häufig benutztes Schnäuztuch.
    »Und noch etwas, Senora: Putzt Ihr mit diesem Tuch auch die Nasen Eurer anderen Kinder?«
    »Ja, warum, Cirurgicus?«
    »Lasst es in Zukunft lieber bleiben.«
    Vitus wusste selbst nicht genau, weshalb er diesen Rat gab, doch er hatte das sichere Gefühl, dass es für die Kinder besser war.
    Nach zwei Tagen erschien Senora Utrillos wieder, begleitet von ihren sechs Kindern, die wie die Orgelpfeifen an ihrer Hand marschierten. Vitus dachte an Orantes'
    Nachwuchs und musste lächeln. »Nun Senora, ich hoffe, es geht Paco besser?«
    »Oh ja, Cirurgicus!« Die Frau deutete einen Knicks an.
    »Sehr viel besser.«
    Vitus blickte die Bäuerin zum ersten Mal richtig an und sah, dass sie ein schönes Gesicht mit großen Augen und einem weichen Mund besaß. Sie zählte etwa dreißig Jahre, wirkte aber nicht so verbraucht wie viele gleichaltrige Frauen. »Paco, mach einen Diener«, flüsterte sie dem Kleinen ins Ohr. Dann lächelte sie Vitus an, und er registrierte, dass sie weiße, ebenmäßige Zähne hatte. Der Junge trat vor und machte eine kurze Verbeugung, wobei er den Holzhalm, der nach wie vor in seinem Hals steckte, mit der Hand festhielt. Vitus nahm den Kleinen auf den Arm. Er atmete beschwerdefrei durch die Nase. Auch das Fieber war verschwunden, wie seine kühle Stirn bewies.
    »Paco, ich werde jetzt das Hölzchen aus deinem Hals ziehen. Vielleicht wird das ein bisschen wehtun, aber du bist ja schon fast ein richtiger Mann, und deshalb wirst du auch nicht weinen, oder?«
    Paco schüttelte heftig den Kopf.
    »Gut.« Er setzte den Kleinen auf eine Kiste und gab ihm mit dem Schlafschwamm eine geringe Dosis Narkotikum in die Nase. Er hatte die Menge so gewählt, dass der Junge in jedem Fall noch halb bei Bewusstsein bleiben würde. Dann wickelte er den Verband ab. Die Wundränder um den Holzhalm waren gottlob nicht entzündet. »Den Verband brauchst du nun nicht mehr«, sagte er, doch der Knabe reagierte kaum. Beruhigt zog Vitus das Holz mit einem sanften Ruck heraus. Die Wundränder, jetzt ihres Haltes beraubt, schlossen sich leicht. »Tirzah, gib mir bitte Nadel und Faden, ich werde eine einfache Ligatur setzen.« Seine Augen waren unverwandt auf die Wunde gerichtet, während er seine Hand fordernd ausstreckte.
    »Tirzah! Hörst du mich?«
    »Ja, sicher doch.« Tirzahs Stimme wirkte aus unverständlichen Gründen leicht verärgert.
    »Gib mir bitte Nadel und Faden.«
    Endlich erhielt er das Gewünschte, und er begann die Stiche zu setzen. »Senora Utrillos, was ist mit den fünf Mädchen, die Ihr mitgebracht habt. Sind sie gesund?«
    »Ich bin nicht ganz sicher, Cirurgicus, am besten, Ihr seht sie Euch selbst einmal an.«
    Vitus verknotete den Faden und schnitt ihn ab, dann gab er Paco in die Obhut von Tirzah.
    »Gut, ich möchte vor allem den Rachenraum untersuchen.« Folgsam stellten sich die Kinder vor ihn hin und sperrten den Mund auf. Vitus nahm den Stiel eines Holzlöffels und drückte damit die Zunge herunter. Er bemerkte, dass zwei der Mädchen unter einer leichteren Form der Bräune litten, doch das Stadium war in beiden Fällen nicht so ausgeprägt, dass es zu Atembeschwerden führte. Es schien so, als hätte die Krankheit ihre ganze Kraft an dem kleinen Paco ausgelassen.
    »Cirurgicus?«
    »Ja, Senora?«
    »Ich habe noch eine Frage.« Belleza Utrillos machte eine Pause, das Thema schien ihr nicht angenehm zu sein:
    »Meine Schwiegermutter, sie wohnt bei uns auf dem Hof, leidet häufig unter Hexenschuss, und ich wollte Euch fragen, ob Ihr vielleicht etwas ...«
    »Natürlich, wendet Euch am besten direkt an meine Assistentin.« Er nickte Tirzah zu. »Du hast doch sicher ein Balsamum oder ein Pulver gegen derlei Beschwerden?«
    »Ja, das habe ich, Vitus.«
    »Gut. Dann gib der Senora davon und dazu noch etwas von dem fiebersenkenden Mittel für die

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