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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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nachdem er den anderen bedeutet hatte sitzen zu bleiben.
    »Wir nennen uns Los artistas unicos, und Freunde sind uns stets willkommen. Allerdings sind wir im Augenblick etwas knapp an Nahrungsmitteln, sodass wir euch höchstens noch Suppe anbieten können.«
    »Los artistas unicos seid ihr?« In der Stimme des Ankömmlings lag Respekt. »Wir haben von euch gehört, euer Ruf ist euch bis Santander vorausgeeilt.«
    »Zu viel der Ehre.« Arturo winkte ab, obwohl ihn das Kompliment freute.
    »Entschuldige, ich vergaß uns vorzustellen.« Der Neue winkte zu seinen Wagen. »Kommt heraus, es besteht keine Gefahr.«
    Der Magister flüsterte hinüber zu Vitus: »Die sitzen mit einem mulmigen Gefühl in ihren Gefährten und sind wahrscheinlich bis an die Zähne bewaffnet - genau wie wir. Welch eine groteske Situation!«
    »Ich bin Roman Dukanas, und das ist meine Frau Preciosa mit dem Rest der Familie.« Die bunt gekleidete Frau, die den zweiten Wagen kutschiert hatte, näherte sich mit drei fast erwachsenen Kindern, zwei Jungen, die im Alter der Zwillinge waren, und einem Mädchen, das etwas jünger als Tirzah sein mochte.
    Der größere der beiden Burschen ging noch einmal zurück zum hinteren Wagen und kam wenige Augenblicke später mit einem Braunbären heraus. Der Bär war, aufrecht laufend, fast so groß wie sein Begleiter. Er trug ein buntes, mit Glöckchen verziertes Ledergeschirr um den Kopf, dazu einen Nasenring mit Kette, an der ihn der Bursche führte.
    »Komm, mein Alter, schnapp ein bisschen frische Luft hier unter dem Baum, heut brauchst du nicht zu arbeiten.«
    Er band den Bären an den Stamm einer hohen Kiefer, ein Plätzchen, das dem Tier zu gefallen schien, denn es ließ
    sich sofort nieder und kratzte sich zufrieden.
    »Das ist Zarpo«, erklärte Roman, »ein wichtiges Familienmitglied, weil er durch seine Tanzkünste unseren Unterhalt bestreiten hilft.«
    Arturo nickte. »Ist er gefährlich?«
    »So gefährlich wie ein Lamm. Er ist dreizehn Jahre alt und mit meinen Kindern zusammen aufgewachsen.«
    »Gut.« Arturo war beruhigt. »Nehmt Platz.«
    »Wir haben die letzten zwei Nächte in einer der Höhlen des Felsmassivs kampiert, die »Höhlen von Altamira« nennen sie die Einheimischen«, erzählte Roman.
    »Ursprünglich kommen wir aus Sevilla, hatten dort aber, wie viele unseres Volkes, Ärger mit der Kirche. Nicht, dass wir den Herrgott verleugnet hätten, nein, wir wollten nur nicht ohne Unterlass beten und unsere eigenen Bräuche vernachlässigen. Drei Jahre ist das nun schon her.« Er hielt erwartungsvoll seinen Napf hoch.
    »Das übernehme ich.« Tirzah war überraschend aufgestanden und hatte Maja den Schöpflöffel aus der Hand genommen. Sie gab Roman von der Suppe.
    Der sehnige Mann musterte sie. »Entschuldige, wenn ich es frei heraus sage, aber ich glaube, du gehörst wie wir zu den Gitanos.«
    »Du hast Recht.« Das Zigeunermädchen errötete vor Freude. »Ich bin Tirzah. Tirzah, die Tochter von Santor.«
    »Moment mal«, Roman sperrte vor Staunen den Mund auf, »doch nicht von Santor, dem Schmied?«
    »Doch«, antwortete sie leise, »von Santor, dem Schmied.«
    »Ja, wo ist dein Vater denn?«
    »Er ist ... er ist ...« Sie schlug die Hände vors Gesicht und rannte fort.
    »Habe ich was Falsches gesagt?« Verstört blickte ihr Roman hinterher.
    »Das hast du wohl, mein Freund«, seufzte Arturo.
    »Santor wurde vor nicht einmal zwei Monaten bei einem Überfall auf unsere Wagenkolonne ermordet.«
    »Herrgott im Himmel, wenn ich das gewusst hätte!«
    Der Zigeunermann stellte seinen Napf abrupt auf den Boden. Die Hälfte der Suppe schwappte über. »Was mach ich nur?«
    »Am besten gar nichts«, mischte sich Preciosa ein. Sie hatte eine Stimme wie ein Mann. »Tirzah wird zurückkommen, wenn sie sich beruhigt hat. Ich kenne Santors Leute. Sie lassen sich leicht von Gefühlen überwältigen, aber sie sind zäh.«

    »Du müsstest Berylle feilhalten, die in der Lage sind, unsichtbare Menschen sichtbar zu machen«, sagte der Magister zu Joaquin, während er zum wiederholten Mal durch sein Nasengestell spähte und nach Tirzah Ausschau hielt. »Wo bleibt das Mädchen bloß?«
    Der Glasschleifer grinste und zuckte die Schultern.
    »Preciosa ist auch seit geraumer Zeit fort«, sagte er dann,
    »Roman allerdings scheint das nicht zu sorgen.«
    Den Eindruck machte der Zigeunermann wirklich nicht. Er genoss die Ruhepause sichtlich und plauderte angeregt mit Arturo. »Weißt du übrigens«, sagte er gerade,

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