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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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klar, die Haut ihres Gesichts, das sie der wärmenden Mittagssonne entgegenstreckte, hatte im Laufe der letzten beiden Tage wieder Farbe bekommen. Kein Zweifel: Sie war über den Berg. Als man sie mit vereinten Kräften auf Lopez Wagen platziert hatte, dick eingehüllt in einen langen Wollschal, sprach sie zum ersten Mal nach ihrer Operation: »Senorita«, sagte sie zu Tirzah mit noch schwacher Stimme, »ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll.«

Ihre Augen wanderten zu ihrem Mann, der schon auf dem Kutschbock Platz genommen hatte. »Sicher hat er Euch kein Geld gegeben.«
    »Nein, nicht einen Maravedi.«
    Sie beugte sich vor. »Ich sag's Euch im Vertrauen: Er ist ein Knauserer, wie er im Buche steht, tut immer so, als könnte er nicht bis drei zählen, weil er herausgefunden hat, dass dadurch vieles im Leben billiger wird.«
    Sie machte eine Pause, denn das Atmen fiel ihr noch schwer. »Ehe man einem Blöden mühsam erklärt, warum eine Sache etwas kostet, erledigt man sie lieber umsonst, stimmt's?« Tirzah musste lächeln. »Stimmt, Senora.«
    »Nun, der Herr ist mein Zeuge: Ich würde Euch Geld geben, wenn ich welches hätte. Aber ich besitze etwas anderes.« Sie griff sich unter den Schal und förderte eine kleine, goldene Madonna hervor, die ihr an einer Kette um den Hals hing. Sie nahm sie ab.
    »Für Euch, mit Gottes Segen.« Tirzah fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Die Worte der Frau hatten sie tief berührt. »Das kann ich nicht annehmen, Senora.«
    »Doch, das könnt Ihr.« Senora Lopez legte die Madonna in Tirzahs Hand und schloss ihr die Finger darum. »Gott weiß, dass Ihr sie verdient habt.«

    »Ohne meine Berylle wäre ich nur ein halber Mensch!«, verkündete der Magister am nächsten Morgen.
    »Ich weiß gar nicht, wie ich die letzten dreißig Jahre ohne sie ausgekommen bin.«
    Er saß mit den anderen um das Dreibein, wo Maja die Reste der Suppe vom vergangenen Abend aufgewärmt hatte. »Vitus, gib doch mal das Fladenbrot rüber.«
    »Die Sehkraft des Menschen verändert sich im Laufe eines Lebens«, warf Joaquin ein, während er den Löffel in den Greifmechanismus seiner Ledermanschette spannte
    »Je älter man wird, desto schwächer werden auch die Augen. Entsprechend stärker müssen dann die Linsen sein.«
    »Ich weiß nicht, welche Berylle ich in zehn Jahren brauche«, nickte der Magister zustimmend, »aber meine jetzigen sind scharf genug, um dort hinten bei den Felsen zwei Pferdewagen zu erkennen.«
    Es stimmte. Zwei bunt bemalte Gefährte näherten sich ihrem Rastplatz. Die Wagen waren von ähnlicher Bauart wie die ihren, nur etwas größer. Vor jedem liefen zwei Braune. »Die Pferde sind gut im Saft«, stellte Arturo nach einer Weile fest. »Scheint sich nicht um Tierschinder zu handeln.«
    »Ich glaube, es sind Leute aus meinem Volk«, sagte Tirzah. »Sie kommen her direkt, si?« Zerrutti durchbrach seine Regel, bei Essenseinnahme generell nicht zu sprechen. »Sie kommen doch wohl in friedlicher Absicht?« Maja ergriff unwillkürlich den großen Schöpflöffel. Sie hatte die Schreckensbilder des letzten Überfalls noch nicht vergessen.
    Arturo erhob sich. »Ich denke schon. Aber Vorsicht ist immer geboten. Es ist sowieso ein kleines Wunder, dass wir bisher kein zweites Mal angegriffen wurden. Vitus, Anacondus, kommt, wir holen unsere Waffen.« Er machte sich auf den Weg.
    »Wir verlangen ebenfalls Waffen. Wir sind keine Kinder mehr!«, meldeten sich die Zwillinge.
    »Und ich kein Blinder!« Der Magister rappelte sich ebenfalls auf. »Ich verlange ein Entermesser oder so etwas.« Arturo war stehen geblieben. »Scheint so, als wollten die Artistes unicos sich plötzlich zu einem wehrhaften Fähnlein mausern.« Er grinste. »Das wird nicht nötig sein, immerhin, ihr bekommt die Waffen, aber anschließend setzen wir uns mit verborgenen Klingen wieder ans Feuer.«
    Kurz darauf war jeder wieder an seinem Platz und blickte gespannt auf die Wagen, die jetzt schon sehr nahe waren. Auf dem ersten Kutschbock saß ein braun gebrannter, sehniger Mann, der ihnen zuwinkte. Auf dem zweiten eine ältere Frau, die in bunte Tücher gehüllt war. Kurz vor dem Feuer brachte der Sehnige seine Tiere zum Stehen und sprang vom Wagen. »Ich grüße euch!«, rief er und verbeugte sich kurz. »Ich sehe, ihr seid fahrendes Volk wie wir, deshalb nehme ich mir die Freiheit, euch bei der Morgenmahlzeit zu stören. Darf man sich mit ans Feuer setzen?«
    »Selbstverständlich.« Höflich erhob sich Arturo,

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