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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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den Bruch zu richten, müssen wir gemeinsam am Fuß ziehen, bis die Knochen wieder in ihre alte Position zurückgleiten.« Er schürzte überlegend die Lippen. »Das wird Schwerarbeit«, wiederholte er.
    »Schwierigkeiten?«, fragte Klaas ängstlich.
    »Nein, nein. Hör mal, Rod, mein Narkotikum ist alle, kommst du irgendwie an Brandy heran?«
    »Auf diesem Schiff gibt es keinen Alkohol«, griente der muskulöse Mann, wobei sein Gesicht in tausend Fältchen zersprang, »jedenfalls nicht für gemeine Teerjacken wie unsereinen.«
    »Zu dumm.«
    »Aber man hat so seine Quellen.« Rods gute Laune war unerschütterlich. »Ich besorg von dem Stoff, so viel ich kann.«
    Sie flößten Klaas eine ganze Kanne Brandy ein und warteten zwanzig Minuten. Dann schnarchte der Alte wie ein Sägewerk. Rod kniete sich hin und hielt den Oberkörper des Graukopfs von hinten fest, während Vitus und der Magister am Bein zogen.
    Dann wechselten sie: Vitus hielt Klaas fest, und der Magister und Rod zogen.
    Dann hielt der Magister Klaas fest, und Vitus und Rod zogen. Und dann gaben sie es auf.
    »So geht es nicht«, keuchte Vitus. »Wir ziehen und ziehen, und im selben Augenblick, wo wir loslassen, stoßen die Knochen wieder nach außen durch.«
    »Du hast Recht«, überlegte der Magister. »Wir brauchten eine Kraft, die sein Bein langsam geraderichtet und dann in dieser Position hält.«
    »Während Klaas' Oberkörper so unverrückbar fest sein müsste, als wäre er an den Mast gefesselt«, nickte Vitus. Rod schlug sich gegen die Stirn. »Und warum machen wir das nicht? Wartet, ich hole Tauwerk und eine Talje!« Er eilte mit Riesenschritten davon.
    Kurz darauf war er zurück. Sie banden Klaas am Hauptmast fest und legten die Talje bereit. »Was wir eine Talje nennen, bezeichnet ihr Landratten als Flaschenzug. Das ist aber schon der einzige Unterschied«, erklärte Rod fröhlich. »Hier, über die beiden Blöcke läuft das Seil hin und zurück, und am offenen Ende zieht man sie zusammen
    - ganz einfach.« Er demonstrierte es. Seine Augen leuchteten. Dann beugte er sich herab, legte eine Tauschlinge um den Fuß und zog sie zu. »An diesem Stropp befestigen wir den einen Block, und den anderen, wartet mal ...«, seine Augen blickten suchend umher,
    »genau: an der Verkeilung des Beiboots.«
    »Dann wollen wir mal.« Der Magister spuckte in die Hände. Der Schotte schüttelte den Kopf. »Du brauchst kaum Kraft beim Ziehen, aber warte ...«, seine Stimme wurde vorübergehend ernst, »bevor wir anfangen, ein Gebet!«
    Er blickte am Hauptmast hoch, wo über dem bewusstlosen Klaas ein farbenprächtiges Madonnenbild angebracht war, es zeigte die Mutter Maria mit dem Jesuskind. Rod bekreuzigte sich und sprach:
    »Heilige Mutter Gottes, wir bitten Dich,
    steh uns bei und sorge dafür,
    dass der Sünder Klaas bald wieder gesund wird.
    Amen.«
    Es war kein sonderlich beeindruckendes Gebet, aber Vitus hoffte, dass es helfen würde. »Amen«, wiederholte er. »Amen«, sagte auch der Magister.
    Fünf Minuten später waren Knie-und Wadenbein wieder an ihrem Platz, und die Talje sorgte dafür, dass die Knochen blieben, wo sie waren. Sie versorgten die Wunde, holten den Zimmermann und ließen von ihm mit dem Zugmesser zwei gehöhlte Holzschienen anfertigen, in die das Bein fest eingeschalt wurde. Danach war es stabil wie ein Stock. Klaas konnte, wenn auch mühsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht, schon wenige Stunden später wieder die ersten Gehversuche machen.
    »Don Alfonso!«, schnarrte Najera am nächsten Morgen, »darf ich annehmen, dass Ihr mir zutraut, bis vierzehn zählen zu können?« Dem Ersten schwante nichts Gutes. »Aber selbstverständlich, Capitan.«
    Najera schob die Unterlagen auf dem Kartentisch beiseite und begann übergangslos, an einem schönen, in Silber eingefassten Gänsekiel zu nesteln. »Dann werdet Ihr auch Verständnis für meine Überraschung haben, dass bei den Proviantkosten vierzehn Dublonen für Schweine vermerkt sind. Vierzehn, Don Alfonso, und nicht dreizehn!«
    »Jawohl, Capitan.« Jetzt wusste der Erste, dass ein mittlerer bis schwerer Hurrikan heranzog. »Schweine« war in der Liste der Deckname für die gepressten Männer.
    »Könnt Ihr, Don Alfonso, mir dann gütigst erklären, wieso bei einem Preis von einer Dublone pro Schwein nur dreizehn an Bord gekommen sind?« Und bevor der Erste antworten konnte: »Überlegt Euch genau, was Ihr sagt, Don Alfonso. Als Mann gleicher Herkunft könnt Ihr von mir zwar ein gewisses

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