Der Wanderchirurg
äh ... Gastfreundschaft, wenn du verstehst, was ich meine.«
Rod grinste vielsagend. »Habe zwei Reisen auf einem Portugiesen in jene Ecke der Welt mitgemacht und bin dabei bis Cathai und Cipangu vorgedrungen, riesige Länder, die auch China und Japan genannt werden. Ich sage euch, die Portugiesen sind hinter den Gewürzen her wie der Teufel hinter der armen Seele, naja«, er unterbrach sich, um ein sackähnliches Musikinstrument hervorzuholen, »mir war's recht, habe selbst einen hübschen Anteil abgekriegt.«
»Warum hat das Mädchen dir die Tatauierung beigebracht?«, fragte Vitus. Er hatte das Gespräch nur mit einem Ohr verfolgt, weil er mit Klaas' Bein beschäftigt war. Vier Tage nach dem Unglück hatten die Wundränder sich schon gut geschlossen.
»Tatauieren tun sich die Eingeborenen alle, warum, weiß ich nicht genau«, antwortete Rod. »Sie sprechen ein höllisches Kauderwelsch, das kein Mensch versteht, aber ich glaube, es hängt mit ihrer Religion zusammen, jedenfalls soll der Kopf auf meinem Arm einen Gott darstellen. Sie ritzen einem die Linien mit einer scharfkantigen Muschel oder einem Knochenstichel in die Haut und reiben anschließend Ruß oder Holzkohle rein. Merkwürdigerweise entzünden sich die Stellen selten, und nachdem sie verheilt sind, ist man tatauiert. Die Figuren sind unauslöschlich, man trägt sie ein Leben lang mit sich herum.« Rod blies kräftig in ein Röhrchen an seinem Musikinstrument, woraufhin sich der Sack leicht wölbte.
»Kannst du gleich mal nach meiner Narbe sehen, Vitus?«, fragte ein großer Mann mit dunkelblondem Vollbart und deutete auf seine linke Wange. »Sie tut heute wieder höllisch weh.« Er trug die Kleidung der spanischen Infanteriesoldaten, von denen es insgesamt nur zehn an Bord gab. Kapitän Najera hatte nicht mehr in Sold nehmen können, obwohl er es gern getan hätte, nicht zuletzt der gefahrvollen Reise wegen, die ihnen bevorstand.
»Lass die dämliche Narbe, Gonzo! Komm her, du bist dran.« Einer seiner Kameraden, die drei Schritte weiter am Boden hockten, hielt ihm die Würfel entgegen.
»Wartet einen Augenblick.« Vitus kramte in seiner Instrumententasche, in der Hoffnung, irgendwo noch eine lindernde Salbe gegen schmerzendes Narbengewebe zu entdecken. Doch er fand nichts. Auch die Schiffsapotheke, die ihm zur Verfügung gestellt worden war, half nicht weiter. Der große, hölzerne Kasten mit dem Einsatz für dreißig Fläschchen barg gerade mal ein einziges Pülverchen, das gegen den Scharbock wirken sollte - was Vitus allerdings stark bezweifelte. Er zuckte mit den Schultern. »Tut mir Leid, Gonzo, ich habe keine Narbencreme. Aber einen guten Tipp: Immer wenn du pinkelst, richte es so ein, dass du einen Teil der Flüssigkeit in der Hand auffängst. Damit reibst du dann die Narbe ein.« Gonzo bekam große Augen. »Was? Ich soll ...?«
»Genau. Urin enthält eine heilsame Säure für die Haut, glaub mir!«
Er klopfte dem Soldaten beruhigend auf die Schulter.
»Versuch's ein paar Tage, und berichte mir d ...« Ein lang gezogener, quäkender Laut, der durch das ganze Deck zog, unterbrach ihn. Rod hatte den Sack seines Instruments unter den Arm geklemmt und drückte dagegen, während er mit den Fingern auf einer Pfeife spielte. Seltsamerweise blies er aber nicht hinein, vielmehr wurde die Pfeife durch die Luft aus dem Sack gespeist. Vitus sah, wie Rod ab und zu in ein anderes Röhrchen blies, und schloss daraus, dass er dadurch den Luftvorrat im Sack immer wieder auffüllte. Neben der Pfeife, die Rod spielte, gab es noch eine andere, die, nur durch den Luftdruck, einen dauernden durchdringenden Ton aussandte.
»Aufhören mit der Katzenmusik!«, schrie einer der Infanteristen. »Man versteht ja sein eigenes Wort nicht!«
»Ruhe, verdammt!«, tönte es von anderer Seite, wo einige Männer schlafen wollten. Sie lagen sanft schaukelnd in Hängematten, einer Einrichtung, die man den Wilden in Neu-Spanien abgeschaut hatte.
Rod grinste und ließ sich nicht stören. Er fuhr fort, den ledernen Sack zu drücken und mit den Fingern Melodien zu spielen. Schließlich begann er noch zu singen, in einer Sprache, die ähnlich quäkend wie seine Musik klang.
»Ich weiß nicht«, sagte der Magister nach kurzer Zeit,
»zum Mitsingen lädt seine Darbietung nicht gerade ein, und dieses Gälisch, oder wie er seine Sprache nennt, versteht sowieso kein Mensch. Ich glaube, ich schnappe noch ein wenig frische Luft.« Als Arzt-Assistent war er genau wie Vitus vom
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