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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Starr
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zum Beispiel an der Unterseite eines Tisches – dort konnte es Blutspritzer geben, wenn ein auf dem Boden liegendes Opfer verletzt worden war. Blut auf dunklem Stoff war bei Kerzenlicht besser zu sehen als bei Tageslicht. Auch wie die Blutspuren aussahen, hatte eine Bedeutung. Verschmiertes Blut ließ darauf schließen, dass die Leiche geschleift worden war, und das sprach gegen einen Selbstmord. Bluttropfen, die aus einer Höhe von einem halben Meter herabgefallen waren, hinterließen ein größeres Spritzmuster als Tropfen, die nur zehn Zentimeter gefallen waren. Waren sie senkrecht gefallen, erzeugten sie einen runden Spritzer, während jene, die von einem bewegten Körper getropft waren, einen länglichen Spritzer zurückließen, wobei der schmalere Teil des Tropfens die Richtung angab.
    An vielen Tatorten wurde auch Sperma gefunden. Es hinterließ meist unregelmäßige Flecken, und das getrocknete Albumin glänzte. Wenn man es mit Wasser benetzte, roch es deutlich nach Stärke. Das ermöglichte eine erste Identifizierung, aber die einzige Möglichkeit, Sperma eindeutig nachzuweisen, bestand darin, unter dem Mikroskop einzelne Spermatozoen mit ihrem birnenförmigen Kopf und dem langen, biegsamen Schwanz zu entdecken. Die meisten Ermittler glaubten, dass das relativ einfach sei, vorausgesetzt allerdings, sie betrachteten das reine Sperma und nicht eine Ansammlung einzelner Teile. Es war allzu verlockend, irgendwelche Körnchen in der Flüssigkeit mit losgelösten Köpfen von Spermazellen zu verwechseln oder winzige Fäden für ihre Schwänze zu halten.
    Wenn das Opfer oder seine Kleider gewaschen worden waren, erwies es sich als nahezu unmöglich, intakte Spermazellen zu finden. »Ich verbrachte drei Wochen damit, in einem Vergewaltigungsfall, bei dem es um ein vierjähriges Kind ging, einige vollständige Spermatozoen zu isolieren«, schrieb Dr. Albert Florence, ein Kollege von Lacassagne im Institut für Rechtsmedizin. Lacas­sagne machte ähnliche Erfahrungen und forderte Florence auf, einen Spermatest zu entwickeln, der ebenso einfach, schnell und zuverlässig war wie van Deens Bluttest. Florence stürzte sich daraufhin auf das Problem und legte bald eine ebenso umfangreiche wie tiefgründige Studie vor. In einer Reihe von Abhandlungen ging er auf das Wissen über Sperma im Laufe der Geschichte ein (erst 1824 fanden Wissenschaftler heraus, dass neues Leben durch die Vereinigung von Samen- und Eizellen entsteht) und beschrieb die Spermatozoen genau – ihre Struktur, ihre Chemie und die Farben, die sie unter dem Mikroskop besser sichtbar machten. Dann suchte er nach einfachen chemikalischen Tests und probierte zahlreiche Substanzen aus, die ausschließlich mit Sperma reagierten. Eines Tages machte er eine Entdeckung: Wenn er eine Lösung aus einem Teil Kalium und drei Teilen Jod (Kaliumtrijodid) kühlte und auf Sperma träufelte, bildeten sich bräunlich rote Kristalle. Er glaubte, damit eine Patentlösung für die Aufklärung von Sexualdelikten gefunden zu haben. Es war »unbestreitbar das einzig brauchbare Verfahren, auf das man in allen schwierigen Fällen zurückgreifen muss«, schrieb er. Leider stellte ein deutscher Wissenschaftler einige Jahre später fest, dass die rhombenförmigen Kristalle sich auch dann bildeten, wenn er die Lösung anderen Substanzen hinzufügte, die zerfallenes Albumin enthielten, zum Beispiel verfaultem Eiweiß. Dennoch – nichts produzierte die Kristalle schneller oder üppiger als Sperma, und darum blieb Flo­rences ’ Lösung ein nützlicher vorläufiger Test, bis ihn Mitte der 1940er-Jahre ein besserer ersetzte.
    Fußspuren waren ebenfalls wichtige Hinweise auf die Identität eines Verbrechers, vor allem in einer Zeit, als Schuhe noch maßgefertigt wurden. Da keine zwei Nagelmuster identisch waren, entwickelten Forscher verschiedene Methoden, um mit Gel oder Gips Abdrücke von Fußspuren zu machen, nicht nur im Boden, sondern sogar im Schnee (Salz überzog die Spur mit einer Eisschicht, sodass ein Abdruck gemacht werden konnte). Erstaunlich viele Mörder gingen zu dieser Zeit barfuß. Die Form des Fußes, die Höhe des Spanns und Unregelmäßigkeiten an den Sohlen ermöglichten eine Identifizierung. »Es gibt eine Physiognomie des Fußes, so wie es eine des Gesichts gibt«, schrieben Lacas­sagnes Kollegen Coutagne und Florence. Lacassagne riet, nicht nur Abdrücke von Fußspuren im Boden anzufertigen, sondern diese zusätzlich auch mit einem Pantografen nachzubilden.

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