Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
Protokolls nicht gerade berühmt war. Er war ein beliebter König, und die Dunkelaugen schätzten ihn sehr, weil er Hospitäler errichten ließ. Doch die Hellaugen erachteten ihn als keineswegs sehr helle.
Er war allerdings auch kein Dummkopf. Doch leider stellte es in der politischen Landschaft der Hellaugen bereits einen Nachteil dar, wenn man nur von durchschnittlicher Intelligenz war. Während sie aßen, zog sich das Schweigen weiter hin und wurde allmählich unangenehm. Mehrfach sah der König auf, als wollte er etwas sagen, aber dann wandte er sich wieder seiner Suppe zu. Jasnah schien ihn einzuschüchtern.
»Wie geht es Eurer Enkelin, Majestät?«, fragte Jasnah schließlich. »Erholt sie sich gut?«
»Recht gut, vielen Dank«, sagte Taravangian und wirkte erleichtert darüber, dass endlich ein Gespräch in Gang kam.
»Aber jetzt meidet sie die engeren Gänge des Konklaves. Ich möchte Euch sehr für Eure Hilfe danken.«
»Es ist immer äußerst erfüllend, helfen zu können, Euer Majestät.«
»Bitte verzeiht mir, wenn ich es so offen sage, aber die Feuerer halten nicht viel von Eurer Hilfe«, bemerkte Taravangian. »Doch wie ich sehe, ist das ein sehr heikles Thema. Ich hätte es vielleicht nicht erwähnen sollen, aber …«
»Nein, fühlt Euch ganz frei«, sagte Jasnah, während sie mit ihrem Spieß ein Sübchen aufgabelte. »Ich schäme mich meiner Ansichten keineswegs.«
»Dann vergebt Ihr auch die Neugier eines alten Mannes?«
»Neugier vergebe ich immer, Euer Majestät«, gab Jasnah zurück. »Sie scheint mir eines der ursprünglichsten Gefühle zu sein.«
»Wo habt Ihr ihn gefunden?«, fragte Taravangian und spielte damit auf den Seelengießer an, den Jasnah unter ihrem schwarzen Handschuh verbarg. »Wie habt Ihr ihn vor den Devotarien bewahren können?«
»Man könnte solche Fragen als gefährlich bezeichnen, Euer Majestät.«
»Ich habe mir schon allein dadurch ein paar neue Feinde gemacht, dass ich Euch überhaupt willkommen hieß.«
»Man wird Euch vergeben«, sagte Jasnah. »Allerdings kommt es auf das Devotarium an, das Ihr gewählt habt.«
»Vergeben? Mir?« Der alte Mann schien das amüsant zu finden, und einen Augenblick lang glaubte Schallan, in seinem Blick tiefes Bedauern zu erkennen. »Unwahrscheinlich. Aber das ist etwas ganz anderes. Bitte. Ich halte meine Fragen weiter aufrecht.«
»Und ich halte an meinem ausweichenden Verhalten fest, Euer Majestät. Es tut mir leid. Ich vergebe Euch Eure Neugier, aber ich kann sie nicht befriedigen. Diese Geheimnisse gehören mir ganz allein.«
»Natürlich, natürlich.« Der König lehnte sich zurück und wirkte nun verlegen. »Vermutlich nehmt Ihr an, dass ich dieses Mahl nur habe auftragen lassen, um Euch über das Fabrial auszufragen.«
»Hattet Ihr denn noch einen anderen Grund dazu?«
»Nun ja, ich habe die wunderbarsten Berichte über die künstlerische Begabung Eures Mündels hören dürfen. Ich dachte, vielleicht …« Er lächelte Schallan an.
»Selbstverständlich, Euer Majestät«, erwiderte Schallan. »Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Euer Porträt zeichnen dürfte.«
Er strahlte, als sie aufstand, ihr halb aufgegessenes Essen stehen ließ und ihre Utensilien zusammensuchte. Sie warf einen kurzen Blick zu Jasnah hinüber, doch die Miene der älteren Frau war gerade undeutbar.
»Würdet Ihr ein einfaches Porträt vor einem weißen Hintergrund bevorzugen?«, fragte Schallan. »Oder hättet Ihr lieber eine breitere Perspektive unter Einschluss der Umgebung?«
»Vielleicht solltest du damit warten, Schallan, bis das Mahl beendet ist«, bemerkte Jasnah scharf.
Schallan errötete und fühlte sich wegen ihrer Begeisterung wie eine Närrin. »Natürlich.«
»Nein, nein«, sagte der König. »Ich bin schon so gut wie fertig. Ein breiteres Bild wäre ganz wunderbar, mein Kind. Wie soll ich sitzen?« Er rutschte auf seinem Stuhl zurück und posierte lächelnd in Großvatermanier.
Sie blinzelte und fixierte dieses Bild in ihrem Gedächtnis. »Das ist großartig, Euer Majestät. Ihr könnt jetzt zu Eurem Mahl zurückkehren.«
»Muss ich denn nicht stillsitzen? Ich habe schon öfter für Porträts posiert.«
»Es ist schon in Ordnung«, versicherte ihm Schallan und nahm wieder Platz.
»Also gut«, sagte er und zog sich mitsamt dem Stuhl an den Tisch heran. »Ich möchte mich bei dir entschuldigen, dass
ausgerechnet ich mich dir als Modell für deine Kunst aufdränge. Ich bin nämlich sicher, dass mein Gesicht nicht
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