Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
nicht bezahlt werden. Und auch Parscher nicht. Aber die Parscher standen den Tieren näher als alle anderen.
Ein Sklave konnte seine Einkünfte mit den Sklavenschulden verrechnen lassen und nach vielen Jahren Arbeit auf diese Weise die Freiheit erlangen. Theoretisch jedenfalls. Die anderen plapperten weiter, als die Wagen den Hang hinunterrollten, aber Kaladin zog sich in den hinteren Teil des Wagens zurück. Er argwöhnte, dass die Möglichkeit, die Sklavenschulden zu bezahlen, nichts als ein Betrug war, der die Sklaven willfährig halten sollte. Die Schuld war gewaltig und viel höher als alles, was ein Sklave jemals bezahlen konnte, und so war es für ihn praktisch unmöglich, sich loszukaufen.
Bei seinen früheren Herren hatte Kaladin verlangt, dass ihm sein Lohn ausgezahlt wurde. Immer hatten sie Mittel und Wege gefunden, ihn übers Ohr zu hauen – sie hatten ihm zum Beispiel Miete für das Haus und ein Entgelt für seine Mahlzeiten berechnet. So waren die Hellaugen nun einmal. Roschone,
Amaram, Katarotam … Jedes Hellauge, das Kaladin je gekannt hatte, ob als Sklave oder als freier Mann, hatte sich als bis ins Innerste verdorben erwiesen, trotz all ihrer äußerlichen Majestät und Schönheit. Sie waren wie verwesende Leichname, in wundervolle Seide gekleidet.
Die anderen Sklaven sprachen weiter über die königliche Armee und über Gerechtigkeit. Gerechtigkeit?, dachte Kaladin und lehnte sich zurück – gegen die Gitterstäbe. Ich bin gar nicht davon überzeugt, dass es so etwas wie Gerechtigkeit überhaupt gibt. Dennoch wunderte er sich. Vor ihnen lagerte die königliche Armee – die Armee aller zehn Großprinzen –, um den Rachepakt zu erfüllen.
Wenn es noch etwas gab, nach dem er sich zu sehnen erlaubte, dann war es die Gelegenheit, wieder einen Speer in der Hand zu halten. Wieder zu kämpfen und einen Weg zurück zu dem Mann zu finden, der er einmal gewesen war. Ein Mann, dem nicht alles gleichgültig war.
Wenn er diesen Mann irgendwo finden konnte, dann mochte dies hier der richtige Ort dazu sein.
5
HÄRETISCH
»Ich habe das Ende gesehen, und ich habe seinen Namen gehört. Die Nacht des Kummers, die Wahre Wüstwerdung. Der Ewigsturm.«
Gesammelt am ersten Palahes 1172, fünfzehn Sekunden vor dem Tod. Person war ein dunkeläugiger Junge unbekannter Herkunft.
S challan hatte nicht erwartet, dass Jasnah Kholin so schön war.
Sie war eine stattliche, reife Schönheit, wie man sie gelegentlich in den Porträts historischer Gelehrter fand. Schallan erkannte, dass sie naiv gewesen war, als sie sich Jasnah als hässliche alte Jungfer oder als eine jener ernsten Matronen vorgestellt hatte, von denen sie vor vielen Jahren unterrichtet worden war. Wie sonst sollte sie sich eine Häretikerin vorstellen, die schon Mitte dreißig und doch noch immer unverheiratet war?
Jasnah war völlig anders. Sie war groß und schlank, hatte eine reine Haut, schmale schwarze Brauen und dichtes Haar von der Farbe des dunklen Onyx. Einen Teil des Haars trug sie hochgesteckt und um ein kleines goldenes Ornament von der
Gestalt einer Schriftrolle gewickelt, während zwei lange Haarnadeln es hielten. Der Rest fiel ihr lose in kleinen, dichten Locken am Hals herunter. Obwohl es so gewunden und gedreht war, reichte es doch bis zu den Schultern. Wäre es gelöst, so würde es wohl so lang wie Schallans Haar sein und bis zur Mitte des Rückens fallen.
Sie hatte ein etwas kantiges Gesicht und durchdringende blassviolette Augen. Gerade hörte sie einem Mann in einer Robe aus flammendem Orange und Weiß zu, den kharbranthischen Königsfarben. Ihre Hellheit Kholin war um mehrere Finger größer als der Mann – offenbar war die allgemeine Behauptung, die Alethi seien sehr groß, keine Übertreibung. Jasnah warf Schallan einen Blick zu, bemerkte sie offensichtlich und kehrte dann wieder zu ihrem Gespräch zurück.
Sturmvater! Diese Frau war tatsächlich die Schwester eines Königs. Reserviert, statuenhaft, makellos in Blau und Silber gekleidet. Wie Schallans Kleid war auch das von Jasnah an den Seiten geknöpft und hatte einen hohen Kragen – aber Jasnah hatte einen weitaus volleren Busen als Schallan. Unterhalb der Hüfte fiel ihr Rock locker und reichte bis auf den Boden. Ihre Ärmel waren lang und reich verziert, und der linke war bis über ihre Schutzhand geknöpft.
An ihrer Freihand steckte ein unverwechselbares Schmuckstück. Es bestand aus zwei Ringen und einem Armreif, die durch mehrere Ketten miteinander verbunden
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