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Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Titel: Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jamil Ahmad
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die Grenze zum Gebiet der Afridis überquert hatten, und ließen, wie er es von uns erwartete, unseren Gastgeber, Gul Zarin, draußen stehen. Der ferne Lichtschein über der Stadt Peshawar war noch immer zu sehen. Wir hatten uns zu einem frühen Halt entschlossen, um am nächsten Tag noch vor Morgengrauen ausgeruht aufbrechen zu können. Als wir uns auf unsere Pritschen setzten, wandte sich einer meiner Gefährten zum anderen.
    »Gul Zarin stellt zu viele Fragen«, sagte er. Sein Gefährte nickte bedächtig.
    »Vielleicht wäre es besser, ihn zum Schweigen zu bringen.« Sie sahen mich beide an.
    »Nein, nein!«, antwortete ich hastig. »Neugierig ist er nur, weil ich ihm Grund dazu gegeben habe. Er denkt sich nichts Böses dabei!«
    Die Heftigkeit meiner Reaktion überraschte meine Gefährten. Sie flüsterten noch eine Zeitlang miteinander. Am nächsten Morgen, in aller Frühe, entlohnten wir Gul Zarin wie vereinbart für seine Gastfreundschaft und brachen auf. Die Sterne leuchteten noch hell und klar, und der Nebel hatte noch nicht angefangen, sich vom Boden zu heben. Die Luft war äußerst kalt, und unser Atem und der unserer Tiere erstarrte zu Dampf, während wir unseren Aufstieg zum Berggrat fortsetzten, hinter dem die Heimat der Afridis lag.
    Nachdem wir vielleicht eine Meile gewandert waren, verschwand einer der Führer für eine Zeit, um sich zu vergewissern, dass auf dem Weg vor uns keine Gefahr lauerte. Wir brauchten nach meiner Schätzung mehr als zwei Stunden, um die Höhe des letzten Grats zu erreichen. Kurz nachdem wir aufgebrochen waren, war der Schmerz vom vergangenen Tag zurückgekehrt, und ich musste häufig rasten, damit sich meine Atmung beruhigte und meine Beinmuskeln sich etwas entspannten. Wann immer wir anhielten, gaben sich meine Gefährten alle Mühe, mir etwas von meiner Verlegenheit zu nehmen, indem sie höflicherweise so taten, als ob sie sich selbst ausruhen müssten. Wenn wir pausierten, ging Hamesh Gul, der selbst ein Afridi war, immer ein paar Schritte weiter und saß dann, auf sein Gewehr gestützt, da, während der andere, der Mann, der sich Tor Baz nannte, bei mir blieb und mal meine Blasen versorgte, mir mal ein paar Schlucke Wasser aus dem Ziegenfellschlauch zu trinken gab, der an einem der Maultiere hing. Sosehr die beiden sich auch bemühten, sie konnten nicht verbergen, wie nervös diese Pausen sie machten.
    Während wir gingen, erzählte mir Hamesh Gul von seinem Volk, den Afridis. Wenn er von ihnen sprach, dann nicht so, als wären sie lediglich einer von vielen Stämmen, die in diesem rauen Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan lebten. Aus seiner Stimme sprach die vollkommene Gewissheit und Überzeugung, dass die Afridis die einzigen Menschen waren, die irgendeine Rolle spielten. Die übrigen Stämme stellten lediglich die Fassung dar, die den Afridi-Edelstein zur Geltung und zu umso hellerem Strahlen brachte. Ich hatte eigentlich erwartet, dass unser anderer Gefährte dem zornig widersprechen würde, aber zu meiner Überraschung war Tor Baz durchaus einer Meinung mit Hamesh Gul.
    Er erklärte die uralte Einteilung des Stammes in die acht berühmten Klans, jeder von ihnen stolz und unabhängig. Gelegentlich, wenn sich die Notwendigkeit ergab, schlossen sie sich in unterschiedlichen Kombinationen zusammen, um vereint zu handeln. Er sprach voller Stolz von den Kämpfen seiner Stammesbrüder gegen die Briten, in denen sie sich ehrenvoll geschlagen, dabei aber die Achtung vor ihren Gegnern bewahrt hatten. Eingestreut in diesen – für mich zum Teil äußerst verwirrenden – detaillierten Bericht waren Schilderungen von gelegentlichen Überfällen auf die Städter. Die Afridis, behauptete er mit hörbarem Schulterrecken, hatten von jeher regelmäßig Peshawar geplündert, und der bloße Name des Stammes hatte ausgereicht, um diese große Stadt, die durch ihre Kaufleute zu einer der reichsten Zentralasiens geworden war, in Angst und Schrecken zu versetzen. Er behauptete, sein Stamm habe allen Eroberern des indischen Subkontinents die Passage des berühmten Khyber-Passes verwehrt und die Plünderer erst durchgelassen, nachdem sie sich dieses Privileg mit klingender Münze erkauft hatten.
    Als ich den Rücken des letzten Hügelkamms erreichte, warteten meine Gefährten schon auf mich. Sie hatten den Pfad verlassen und saßen in einer kleinen Lichtung inmitten der dichten Kiefernwälder, die sich ringsum kilometerweit ausdehnten.
    Die Sonne war vor ungefähr einer halben

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